Der Sport im Nationalsozialismus: Ziel war das „Heranzüchten gesunder Körper“ – Leibeserziehung galt als das höchste Erziehungsgut

Massensport Fußball mit deutschem Gruß

Von Wolf Stegemann

Schon früh betonte Adolf Hitler in seinem Buch „Mein Kampf“, welches Ziel der Sport im Dritten Reich einzunehmen habe: „In erster Linie das Heranzüchten gesunder Körper“. Auf mehreren Seiten schreibt Hitler von allgemeinen Voraussetzungen geistiger Leistungsfähigkeit und stellt dabei die rassische Qualität und den gesunden kraftvollen Körper in den Vordergrund. Er war der Auffassung, dass man einen gesunden Geist nur in einem gesunden Körper finden könne. Hierin griff er eine alte griechische Philosophie wieder auf. Hitler zufolge müsse sich ein Staat in erster Linie um die körperliche Ausbildung seiner Bewohner kümmern und erst in zweiter Linie um die geistige. Ein körperlich gesunder Mensch, mit einem festen Charakter, Entschlussfreudigkeit und Willenskraft sei für die Volksgemeinschaft wertvoller als ein geistreicher Schwächling. Der Staat habe dafür Sorge zu tragen, den jungen Körper von frühester Kindheit an zu trainieren, um ihn für das spätere Leben zu formen. Sport sei aber nicht nur dazu da den Einzelnen stark zu machen, er soll außerdem jeden abhärten. Jeder muss lernen auch Ungerechtigkeit zu ertragen.

Sportvereine wurden entweder verboten oder gleichgeschaltet

Deutscher Sport-Olympionike 1936 in Berlin

Das Mittel dazu, schreibt Friedemann Bedürftig, seien intensive „Leibesübungen“, ein Wort, das in der NS-Sprachregelung dem aus dem Englischen stammenden Begriff „Sport“ vorgezogen wurde. Schon 1933 beherrschte den bürgerlichen Sportbetrieb der Gedanke der körperlichern Stählung mit Blick auf die Wehrertüchtigung. Die Arbeitersportbewegung, in der 1933 etwa 1,3 Millionen Menschen organisiert waren, setzte dagegen auf  die Förderung des Gemeinschaftsgedankens durch Spiel und Sport. Sie wurde daher auch erstes Opfer er Gleichschaltung. Ihre Vereine wurden verboten, ihre Sportstätten geschlossen oder genehmeren Gruppen übergeben. Ebenso erging es konfessionellen Sportorganisationen wie Eichenkreuz (evangelisch) und Deutsche Jugendkraft (katholisch), die in der HJ aufgingen und bis Mitte 1935 sämtlich den Betrieb einstellen mussten. Die jüdischen Sportvereine „Makkabi“ und „Schild“ blieben hingegen zwecks Ausgrenzung ihrer Mitglieder zunächst unbehelligt. Erst nach den Olympischen Spielen von 1936 wurden sie ebenfalls verboten.

Leibeserziehung ein Produkt der Reformpädagogik

Doch was versteht man unter dem Begriff der Leibeserziehung? Im Rahmen der Reformpädagogik der 1920er-Jahre, setzte sich die Leibeserziehung als Erziehung vom Leibe her fest. Sie hatte den Anspruch, ein neues Erziehungsprinzip einzuführen und sollte im Gegensatz zum traditionellen Schulturnen, fachübergreifendes Gegenstück zur intellektuellen Bildung der schulischen Erziehung sein. Leibeserziehung versteht sich als Parallele zu Kunst- und Musikerziehung. Teilaufgaben der schulischen Leibeserziehung sind Bewegungserziehung, Körper- oder Haltungserziehung, Gesundheitserziehung und Spielerziehung. Sie erstrebt die Entwicklung und Formung des Menschen in seiner leiblichen Existenz und sozialer Kommunikation (Sportwissenschaftliches Lexikon 1972).

Richtlinien waren die Weisungen in Hitlers „Mein Kampf“

Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten

Das eigentliche Leitmotiv der politischen Leibeserziehung im Nationalsozialismus ist die Kraft. Alle Erlasse und Richtlinien zur Leibeserziehung folgten den Weisungen Adolf Hitlers, die in „Mein Kampf“ zu diesem Aspekt niedergeschrieben sind. Nach Hitler ist die Verkörperung männlicher Kraft das Menschheitsideal. Die Leibesübungen dienen zur Darstellung und Stimulans des Kraftbewusstseins und der rassisch-nationalen Kraftentfaltung. Hans von Tschammer und Osten, Reichssportführer im Dritten Reich, proklamiert die Kraft als Grundbegriff nationalsozialistischer Leibeserziehung. Dadurch wird klar, dass Leibesübungen mit der eindeutig politischen Motivation der Volkskraft einhergehen. Alfred Baeumler geht sogar soweit, von einem neuen Zeitalter der Kultur der Kraft zu reden:

„Ein neues Zeitalter ist angebrochen. Wir nennen es das Zeitalter der Kultur der Kraft (Kultur in seinem ursprünglichen Wortsinn genommen, als Anbau, Pflege). … Wir dürfen nicht da anfangen, wo die Griechen aufhörten, sondern müssen an derselben Stelle beginnen, wo sie begannen, nicht beim Geiste sondern bei der eingeborenen Art (Physis)… Daher ist der erste Grundsatz nationalsozialistischen Gemeinlebens die Reinerhaltung der Art. … Alles Artgleiche ist von einer Kraft gezeugt …“

Bürgerliche Sportvereine dienten sich dem Nationalsozialismus an

Ein Meistersprung

Der Einzelne spielte im Nationalsozialismus keine große Rolle. Einzig die Erhaltung und Formung einer Volksgemeinschaft nach den Vorstellungen Adolf Hitlers stand im Vordergrund. Somit wurde der Körper zu einem Politikum. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten befand sich der deutsche Sport in einer Phase der Ungewissheit. Der Reichsausschuss für Leibesübungen kämpfte um Anerkennung und Bestätigung. Einzelne Verbandsführer versuchten auf eigene Faust mit den neuen Machthabern Verhandlungen in die Wege zu leiten. Eine Neuordnung des Sports war absehbar. Die Turn- und Sportvereine wollten die Aufmerksamkeit Hitlers auf sich lenken, um am Glanz des neuen Reiches teilhaben zu können. Am 10. Mai 1933 wurde die Auflösung des „Reichsausschusses für Leibesübungen“ mit 17 Fachverbänden beschlossen. Zwei Wochen später werden die Leitsätze bekannt gegeben:

„Turn- und Sportverbände sind dazu da, um das persönliche Wohlergehen von Privatleuten zu fördern; die Leibesübungen bilden vielmehr einen wichtigen Teil des Volkslebens und sind ein grundlegender Bestandteil des nationalen Erziehungssystems. Das Zeitalter des individualistischen Sportbetriebs ist vorüber. In das Eigenleben dieses meist gesunden und Wertvollen Gemeinschaftslebens [gemeint sind die Vereine] soll möglichst wenig eingegriffen werden. Es ist jedoch selbstverständliche Pflicht jedes Vereins, nur solche Männer an die Führung zu berufen, deren Gesinnung, persönliche Eignung und Untadeligkeit außer Zweifel steht, was jedoch nicht bedeutet, dass alle alten und bewährten Führer entfernt werden sollen.“

Der Sport war der Partei untergeordnet und diente als „Werkstatt des Sieges“

1934 wurde der Reichsausschuss kurzerhand wieder aufgelöst und der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen (DRL) proklamiert. Dieser staatlichen Lenkung  des deutschen Sports durch Zentralisierung und Gliederung folgte 1928 die stärkere Bindung an die NSDAP und die straffere ideologische Ausrichtung. Der „Deutsche Reichsbund für Leibesübungen“ wurde eine Betreute Organisation der Partei, Rasse, Führertum und Wehrhaftigkeit waren fortan die Orientierungswerte des Sports. So genannte „Dietwarte“ sorgten für de Vermittlung des Leitbilds vom „politischen Soldaten“ und trimmten die Richtlinien für den Sportbetrieb in Vereinen, Schulen und Gliederungen der Partei auf Wehrsport. Erfolge deutscher Sportler wie Schmeling wurden als Beleg für rassische Überlegenheiten ausgegeben. Im Krieg stilisierte man den Sport zur „Werkstatt des Sieges“. An der „Heimatfront“ lief der Sportbetrieb trotz Kriegsbedingungen eingeschränkt weiter. Anfänglich wurden noch „Deutsche Kriegsmeisterschaften“ ausgetragen, aber immer mehr Sportler mussten an die Front. Sportstätten wurden zu Unterkünften für Gefangene, zu Lazaretten, Lagerstätten oder Kartoffeläckern umfunktioniert. Ausgenommen von allen Einschränkungen blieb der Jugendsport in der Hitlerjugend.
Weil sich der Sport durch die Politik völligen vereinnahmen hat lassen, hatte er es nach 1945 schwer, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Eine deutsche Teilnahme an den Olympischen Spielen 1948 und an der Fußballweltmeisterschaft 1950 war nicht möglich.

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Quellen: Hauptsächlich nach Friedemann Bedürftig „Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg. Das Lexikon“, Piper 2002. – Konstantin Kliem „Sport im Nationalsozialismus: Entwicklung und Zielsetzung im Höheren Schulwesen und in der Hitlerjugend, 2005. – Peer Ehmke „Sport im III. Reich, Schlossbergmuseum Chemnitz (Freie Presse Chemnitz) 2003. – Peter Röthig „Sportwissenschaftliches Lexikon“, Hofmann Schorndorf 1972.
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