Heimatmuseum Dorsten wurde 1935 mit Pathos, Misstönen und Drohungen im Alten Rathaus eröffnet

Oberstudiendirektor a. D. Dr. Josef Wiedenhöfer

Von Wolf Stegemann

Als grundlegendes Gründungsjahr für die später entstandene Museumssammlung wird 1888 angesehen, als sich in Dorsten der „Verein für Orts- und Heimatkunde“ gründete, der zuerst in einem Nebenraum des Hotels „Escherhaus“ am Markt, ab 1932 im Rive‘schen Haus am Südwall 13, später im Polizeigebäude an der Katharinenstraße ein kleines Museum einrichtete, dass ab 1935 im Alten Rathaus am Markt untergebracht war und 2003 vollständig aufgelöst wurde.

Dr. Wiedenhöfer forderte wegen „Verächtlichmachung“ Gestapo-Anzeige

Anfang der 1930er-Jahre wurde die Sammlung durch Geschenke wesentlich bereichert, so dass 1935 im Alten Rathaus zusammen mit den Sammlungsbeständen der Gemeinden Hervest und Holsterhausen ein Heimatmuseum im Genre nationalsozialistischer Heimatideologie eingerichtet werden konnte, was auch im Stil der damaligen Zeit propagandistisch vermarktet wurde, wobei sich besonders Studiendirektor a. D. Dr. Josef Wiedenhöfer als Vorsitzender des für das Museum federführenden Vereins für Orts- und Heimatgeschichte hervortat. Nach seiner Ansicht war die Berichterstattung im Vorfeld der Eröffnung ein Ärgernis. Er forderte dazu auf, dies auch der Gestapo zu melden.

Die „Nationalzeitung“ berichtete am 18. und 19. Januar 1935 mit zwei umfangreichen Artikeln durchaus positiv darüber, was im Museum zu sehen sein wird. Dr. Wiedenhöfer, bis 1932 Schulleiter des Gymnasium Petrinum, Senior der Dorstener Heimatforscher und Ortsgruppenleiter der NS-Kulturgemeinde, beschwerte sich dennoch bei Bürgermeister Dr. Josef Gronover.

„Die Artikel würden bei allen urteilsfähigen Lesern nach Form und Inhalt Ärgernis erregen und unser Heimatmuseum und die Stadt Dorsten dem allgemeinen Gelächter preisgeben.“

Was er damit gemeint haben könnte, ist nicht nachzuvollziehen. Die Artikel lobten das Museum und die Heimatforschung in der damals üblichen Art. Vielleicht hielt der nationalsozialistisch denkende Wiedenhöfer, der den Nationalsozialismus als Befreiung verstanden hatte, die schon sehr kurios anmutende Textpassage für anstößig, die eigentlich nur ein Schmunzeln zur Folge haben sollte: „Die Stadt Dorsten genießt den Ruf, den Friedhof für das Mammut abgegeben zu haben.“ Wiedenhöfer, der in seiner Beschwerde nicht konkret wurde, führte weiter aus, dass einzelne Passagen „tiefe Entgleisungen“ seien und eine auf „tiefster Stufe stehende Leistung“ zeige. Und er wird NS-ideologisch, wenn er schreibt: „Der Aufsatz wird für Feinde unseres Staates und böswillige ausländische Leser eine Quelle der Verächtlichmachung und Herabsetzung sein.“ Als ob das Dorstener Heimatmuseum mitsamt seinem  Mammutknochen das Ausland interessiert hätte. Zum Schluss forderte der Humanist, dass „solche Schreiber mit allen Mitteln unmöglich gemacht werden müssen“. Gleichzeitig empfahl er, den Bürgermeister, die örtliche NSDAP-Ortsgruppenleitung, den Pressewart, die Kreis- und Gauleitung der NSDAP und nicht zuletzt die Gestapo „wissen zu lassen, dass wir dieser Veröffentlichung fern stehen und sie zurückgewiesen haben. Heil Hitler!“

Ehrengäste bei der Eröffnung des Museums; links Regierungspräsident Klein

Feierliche Eröffnung durch den Regierungspräsidenten

Am Tag der Einweihung des Museums war die Stadt ein „Fest- und Freudentag“ der üblichen nationalsozialistischen Prägung mit Hakenkreuzfahnen und Girlanden. 200 prominente Gäste kamen in die Wirtschaft Denne, darunter der Regierungspräsident, Partei-Prominenz des Kreises und der benachbarten Orte, der Landrat, Bürgermeister und Geistliche aus dem Münsterland. Beim Festakt sprach Wiedenhöfer als Vorsitzender des Vereins für Orts- und Heimatkunde nach dem Regierungspräsidenten und erläuterte den Zuhörern sein 35 Jahre langes Wirken in der Stadt und meinte, dass aus dem Heimatverein der „nationale Stoßtrupp“ entstanden sei. Und zum Schluss bezeugte er die Treue seines Heimatvereins zu Hitler:

„Von der Heimatkunde hinweg haben die Dorstener Heimatfreunde den Weg zur Heimatbewegung beschritten. Von der Heimat führt der Weg auf die große Hitlerstraße, führt der Weg zur großen deutschen Volksgemeinschaft.“

Auch an diesem Tag sah Wiedenhöfer in Verkennung der Bedeutung des Heimatmuseums Dorsten Grund zur Klage. Weil der Westdeutsche Rundfunk Köln es ablehnte, seiner Einladung zu folgen und über ihn und das Heimatmuseum zu berichten, beschwerte er sich am 18. Juni beim Kölner Sender mit dem Hinweis, dass der Intendant des Senders Dr. Heinrich Glasmeier Dorstener sei, und dass er, Wiedenhöfer, sich bei diesem beschweren würde, falls es bei einem Nein bliebe. Der Sender sah sich mit dieser Drohung genötigt, Wiedenhöfer zu antworten: „Es wäre uns lieb, einen Bericht über das Heimatmuseum schon recht bald zu erhalten. Heil Hitler!“

Wiedereröffnung 1957

Bei der Bombardierung 1945 blieb das Gebäude stark beschädigt stehen. Etwa Eindrittel der Sammlung ging verloren oder wurde nach dem Krieg verschleppt. Unsachgemäße Lagerung in Kellern von Schulen und Amtsgebäuden fügte in den Nachkriegsjahren der restlichen Sammlung weiteren Schaden zu. Zur 700-Jahrfeier der Stadt 1951 wurde das Heimatmuseum provisorisch wieder hergerichtet, musste aber wegen der Beschädigungen wieder geschlossen werden. Das Geologische Institut der Universität Münster restaurierte die Restbestände und das Heimatmuseum konnte 1957 wieder eröffnet werden.

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Quelle: Wolf Stegemann „Bericht über Eröffnung löste harte Kritik aus“ in RN vom 16. März 1985.
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