Altnazis fanden im Vertriebenenbund lange eine Heimat. Neue Studie belegt: acht von 13 Funktionären von 1958 waren in der NSDAP

Die Präsidentin des Vertriebenenbundes, Erika Steinbach, hat die neue Studie in Auftrag gegeben. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

Der Bund der Vertriebenen wurde laut neuen Untersuchungen in seiner Gründungszeit im Wesentlichen von Nationalsozialisten angeführt. Das geht aus einer Studie des Instituts für Zeitgeschichte hervor. Demnach waren 8 von 13 Mitgliedern des ersten, 1958 konstituierten Verbandspräsidiums Mitglieder der NSDAP gewesen. Zum Vergleich: Der Anteil der Parteiangehörigen an der deutschen Bevölkerung betrug laut Studie bei Kriegsende 1945 nur rund zehn Prozent. Die Präsidentin des Vertriebenenbundes, Erika Steinbach, hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben.

Auch von den fünf übrigen, die Adolf Hitlers Partei nicht angehörten, könnten nur zwei „als dezidierte Nicht-Nationalsozialisten“ eingestuft werden. Das schreibt der Autor Michael Schwartz in seinem Buch „Funktionäre mit Vergangenheit“, das die Ergebnisse der vom Bundesinnenministerium geförderten Studie zusammenfasst. Die anderen drei Nicht-Parteigenossen hätten „starke politische Affinitäten zum Nationalsozialismus“ aufgewiesen.
Zwei Präsidiumsmitglieder stuft die Studie als „schwer belastet“ ein. Das sind Alfred Gille, Gebietskommissar der deutschen Besatzungsverwaltung in der Ukraine und in Weißrussland, sowie Erich Schellhaus. Letzterer war während der NS-Zeit Bürgermeister und sei außerdem „sehr wahrscheinlich“ an der „NS-spezifischen Partisanenkriegsführung in Weißrussland“ beteiligt gewesen. Diese Beteiligung könne auch in „die Beteiligung an Massenmorden an jüdischen Bevölkerungsgruppen gemündet“ sein.

Studie von Michael Schwartz

Ergebnis der Studie für Vertriebenenbund „wenig überraschend“

„Möglicherweise schwer belastet“ nennt Autor Schwartz unter anderem Rudolf Wollner, der sich als überzeugter „Weltanschauungskrieger“ im Alter von 17 Jahren freiwillig zur Waffen-SS gemeldet habe. Als „vollkommen unbelastet“ bezeichnet die Studie nur zwei Mitglieder des ersten BdV-Präsidiums: Linus Kather und den Sozialdemokraten Wenzel Jaksch, der von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Ausgerechnet Jaksch habe den Vertriebenenbund besonders geprägt, teilte Steinbach mit. Die Präsidentin des Vertriebenenbundes nannte die Ergebnisse der Studie „wenig überraschend“.
Sie selbst hatte die Untersuchung im Oktober 2007 in Auftrag gegeben, nachdem der „Spiegel“ 2006 über die Nazi-Vergangenheit vieler Verbands-Spitzenfunktionäre berichtet hatte. „Ein Millionenheer an Entwurzelten versuchte verzweifelt, wieder Grund unter die Füße zu kriegen. Organisationsstrukturen dafür gab es nicht“, sagte sie. „So ist erklärlich, dass es Männer mit zuvor gesammelter organisatorischer Erfahrung waren, die das Heft in die Hand nahmen.“

Die erste Verbandsspitze habe sich aber „ganz offenkundig“ für die Demokratie engagiert. Das Institut für Zeitgeschichte nannte die Tatsache, dass Männer mit einer solchen Nazi-Vergangenheit auch nach dem Krieg weiter hochrangige Ämter bekleiden durften, „ein Beispiel für die problematische Elitenkontinuität in der jungen Bundesrepublik“ (dpa).

 

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