Deutsche Eiche: Die Blätter aufs Haupt und den Topf in die Hand der Olympiasieger 1936. Manche stehen als „Hitler’s oak“ noch in Saft und Kraft und gelten als „historisch bedeutsam“

Olympiasieger 1936: Nicht nur die Goldmedaille, auch den Hitler-Setzling in der Hand

Von Wolf Stegemann

Eigentlich hießen die kleinen einjährigen Setzlinge deutscher Stileichen „Hitler-Eichen“. Zwar nicht offiziell, doch im damaligen In- und im Ausland wurden sie so genannt. Auch heute noch. Offiziell hießen sie „Olympia-Eichen“. Hitler verschenkte an jeden der 130 Goldmedaillen-Gewinner und elf Sieger in den Kunstwettbewerben der Olympischen Spiele 1936 in Berlin einen solchen Setzling, um auf diese Weise ein deutsches Symbol weltweit zu verbreiten.

Mittlerweile eingegangen: Hitler-Eiche im Noden Londons

„Wachse zur Ehre des Sieges – rufe zur weiteren Tat!“

Die Idee zu der bis heute einmaligen Aktion hatte weder Hitler noch der nationalsozialistische Propaganda-Apparat Goebbels, sondern ein Zehlendorfer Gärtner namens Hermann Rothe, der den Auftrag hatte, die 1.800 Eichenlaubkränze für die Häupter der Olympioniken anzufertigen. Das Organisationskomitee sah darin ein „schönes Sinnbild deutschen Wesens, deutscher Kraft, deutscher Stärke und deutscher Gastfreundschaft“ und legte den Vorschlag Hitler vor, der zustimmte. Daher bekamen 1936 die Olympia-Goldmedaillengewinner nicht nur die deutsche Eichenblätter aufs Haupt, sondern auch „Hitlers Eiche“ die Hand. Die Setzlinge waren 50 bis 70 Zentimeter groß und befanden sich in einem braunen Keramiktopf mit der Aufschrift „Wachse zur Ehre des Sieges – rufe zur weiteren Tat“. Die Olympioniken warfen die Eichen-Sprösslinge nicht weg, sondern pflanzten sie ein und waren zusammen mit ihren Nachbarn, Freunden und der ganzen Stadt, in der sie wohnten, stolz auf ihre olympischen Hitler-Eichen, von denen es noch etliche gibt. Sie sind meiste mit einem Schild versehen, das über die Herkunft dieser inzwischen großen Bäume informiert.

Olympiade als propagandistischen Forum missbraucht

Die Symbolik der Olympia-Eichen, kann zwiespältig wahrgenommen werden: Einerseits missbrauchten die regierenden Nationalsozialisten die Spiele erfolgreich als Propagandaforum, um sich gegenüber dem Ausland positiv darzustellen. Dazu gehörte auch der Symbolgehalt der Eiche für „deutsches Wesen, deutsche Kraft und Stärke und deutsche Gastfreundschaft“. Im englischsprachigen Raum setzte sich die Bezeichnung „Hitler’s tree“ durch. Die verliehene Eiche als Zeichen von „Ehre des Sieges“ sollte mit ihrer langjährigen Präsenz an die erfolgreichen Olympioniken erinnern.

Fällung aus Pietät

Eine andere „Hitler-Eiche“ wurde viel später in den USA aus Pietät geopfert: 1990 wurde die an der Oklahoma State University gewachsene Eiche des Ringers Frank Lewis zunächst durch einen Blitzeinschlag schwer in Mitleidenschaft gezogen. Als Lewis wenig später vom Protest eines jüdischen Studenten erfuhr, der sich durch den Baum und seine Herkunft gestört fühlte, gab er den Auftrag zur Fällung.

Wo standen oder stehen die „deutschen Olympia-Eichen Hitlers?

Um dies zu beantworten leistete der US-Amerikaner Jim Constandt Pionierarbeit. In seinem 1994 publizierten Buch „The 1936 Olympic Oaks: Where are They Now?“ kommt der Olympia-Historiker unter anderem zu dem Schluss, dass ein Großteil der Bäume an nicht-dokumentierten Orten eingepflanzt wurde, aber er fand auch heraus, wo noch welche stehen. Er konnte beispielsweise in den USA nur noch vier der 24 von der US-Mannschaft überreichten Eichen lokalisieren. Etliche Eichen gingen in den letzten 80 Jahren ein. Die Gründe waren unterschiedlich. Einige wurden im Krieg zerstört.

Jesse Owens aus Cleveland erhielt gleich vier Setzlinge; hier mit zwei von ihnen

Von Jesse Owens Eichen steht nur noch eine von ursprünglichen vier

Jesse Owens, jener legendäre Afro-Amerikaner, der vier Goldmedaillen gewann, und dem Hitler in Berlin aus rassistischen Gründen nicht die Hand gab, bekam dennoch vier Eichen mit auf den Weg in die USA. Eine davon ist noch erhalten. Sie steht in Cleveland (Ohio) an einem Sportplatz und ist Treffpunkt von Athleten, die dort Sport treiben. Die anderen standen im Garten der Mutter in Cleveland, auf dem Gelände der  Ohio State University und der Uni8versity of Southern California in Los Angeles, die 2005 an Wurzelfäule einging.

Cornelius Johnsons Eiche in Koreatown in Los Angeles; Foto um 1960

Eine „Olympia-Eiche“ Hitlers steht noch in  Koreatown in Los Angeles am früheren Wohnhaus des afro-amerikanischen Olympiasiegers, das nicht mehr der Familie gehört. Die Unterabteilung Los Angeles der Dr. Carter G. Woodson’s Association for the Study of African American Life and History erwägt, für diese Eiche Denkmalschutz (landmark protection) zu beantragen, da sie Teil der Black History von Los Angeles ist.

Ein weiterer Baum steht in der neuseeländischen Hafenstadt Timaru, die inzwischen „Lovelock-Eiche“ genannt wird und zum nationalen Kulturgut erklärt wurde. Jährlich sammeln Schüler die Eicheln, um daraus neue Setzlinge zu ziehen. Die Eiche des 1936 siegreichen argentinischen Polo-Teams steht zwischen zwei Spielfeldern auf dem Campo Argentino de Polo in Buenos Aires. 50 Jahre später, 1986, wurde je ein Ableger dieser Eiche an die beiden letzten noch lebenden Mitglieder des 1936er-Polo-Teams überreicht. Es soll in Argentinien weitere Ableger dieser Eiche geben, die sich die dortigen Fans des Polo-Sports aus Eicheln des Baumes gezogen haben.

Nur noch der Stumpf am Grab des Olympia-Siegers

Acht Eichen-Setzlinge gingen nach Finnland. Eine Eiche überstand die Reise nicht; der Verbleib einer Eiche in Helsinki ist ungeklärt; die Eiche in Kerava/Tali ist eingegangen, von der in Tervalampi/Vithi steht nur noch der Stumpf neben dem Grab des Olympiasiegers. Die Eiche in Viipuri (heute Russland) ging ebenfalls ein. 1942 wurde noch von ihrer Existenz berichtet, vermutlich wurde sie im Zweiten Weltkrieg zerstört. Vorher sollen finnische Truppen 1944 einen Schössling mitgenommen haben und ihn  in Joutseno vor einer Schule/Rathaus gepflanzt haben, wo der Baum heute noch steht. Davor  auf einem Granitblock befindet sich eine Gedenktafel. Die Eiche in Lapua steht heute noch dort.

Zeitweise stand die Hitler-Eich auf dem Grab eines deutschen Soldaten

Sieben Setzlinge gingen nach Frankreich, von denen der Verbleib von sechs Bäumen ungeklärt ist. Die noch bekannte Eiche steht im Parc de l’Europe in Saint-Etienne. 1939 soll die Eiche auf dem dortigen Friedhof Montmartre auf dem Grab eines deutschen Soldaten gefunden worden sein, dann hätte sie der Bürgermeister von Aurec-sur-Loire, einem Vorort von Saint-Etienne, auf seinem Privatbesitz gepflanzt, ehe er sie 1945 der Stadt Saint-Etienne übereignet hatte. Die einzige in die Schweiz vergebene Eiche steht noch in Winterthur.

Hitlers Olympia-Eiche in Norfolk (GB) zum Naturdenkmal erfklärt; Foto 2013

Eiche in Großbritannien als „historisch wertvoll“ eingestuft

In Großbritannien wurden ursprünglich vier Eichen gepflanzt, von denen es nur noch eine gibt Die hat aber eine aufregende Vergangenheit, über die viele Medien berichteten, weil die Natur-Behörden sie aufwändig gerettet,  sie 2002 unter Naturschutz gestellt und 2013 pflegend zurückgeschnitten haben. Sie befindet sich in How Hill, Grafschaft Norfolk. Eine andere stand bis 1978 in Bredford. Der Verbleib der zwei anderen ist nicht geklärt. Die britische Presse bezeichnete den Baum in How Hill als „Hitler’s oak“. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ berichtete 2007 unter der Überschrift „Briten retten letzte Hitler-Eiche vor der Kettensäge“, dass 1987 Sturmschäden die Eiche stark beschädigt hätten. Die Zeitung berief sich auf eine Sendung der BBC. Den Baum hat die Naturschutzbehörde Organisation How Hill Trust als „historisch bedeutsam“ eingestuft. Dazu die BBC: „Dabei geht es vor allem um die Erinnerung an die Spiele selber, und nicht den Beiklang von Hitler und den Nazis“. Im Zweiten Weltkrieg explodierte eine deutsche Fliegerbombe 25 Meter neben Hitlers Baum und beschädigte ihn schwer.  Er wurde wieder aufgepäppelt.

In Tallin (Estland) fielen beide Eichen dem Krieg zum Opfer, ebenfalls zwei in Rotterdam (Niederlande), die im Mai 1940 verbrannten, als die Deutschen die Stadt bombardierten. Der Verbleib von vier weiteren Olympia-Eichen in den Niederlanden ist nicht geklärt. Nicht geklärt ist auch der Verbleib der olympischen „Hitler-Eichen“ in Kanada (1), in Ägypten (2), in Britisch-Indien (1), in Norwegen (1) und in der Türkei (1).

Hitler-Eiche am Radstasion in Köln

Standorte in Deutschland

38 Hitlersche Olympia-Eichen blieben in Deutschland. Erhalten sind sie u. a. am Ruderklub Wannsee in Berlin, am Haupteingang des Waldstadions in Fankfurt am Main. Nachdem der Baum gefällt werden musste, hat die Olympia-Goldmedaillengewinnerin im Speerwerfen, Tilly Fleischer, 1998 die jetzige Nachfolgereiche gepflanzt. Ein Schild erinnert an den Olympiasieg. Eine Eiche steht am Grab von Turnvater Jahn in Freyburg an der Unstrut, In Gladbeck (Ruhrgebiet) steht sie mit einer 1993 angebrachten Tafel am Stadion, in Hamburg-Alsterdorf auf einem Wohngrundstück, in Köln am Radstadion, in Mannheim im Garten des Rudervereins-Clubhauses und in München im Eichenhain des Alten Botanischen Gartens. Die sechs Setzlinge wurden zunächst auf dem Gelände der Kavallerieschule in Hannover  gepflanzt und später in die Heeres-Reitschule nach Potsdam umgesetzt. Einer der Bäume kam später auf den Turnierplatz des Bundesleistungszentrums des Deutschen Olympischen Komitees für Reiterei nach Warendorf im Münsterland. An der Südostseite des Stadions am Zoo in Wuppertal steht eine Hitler-Eiche, die unter lauter Birken und Buchen auffällt. Eine Gedenktafel am Zaun, der das Waldstück vom Gästebereich des Stadions trennt, erinnert an den verstorbenen Box-Olympia-Siegers. Der Verbleib anderer Eichen ist ungeklärt

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Quellen: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 2. September 2007. – Die Welt vom 29. Dezember 2013. – Berliner Kurier vom 28. Dezember 2013. – Stadtchronik München (Jahr 1936). – Wikipedia, Online-Enzyklopadie (2014). –

 

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