In Lembeck flog Weihnachten 1946 ein Militär-LKW in die Luft – Neun kriegsgefangene Soldaten starben

Friedhof Lembeck: In der vorderen Reihe befinden sich die Gräber der bei der Explosion getöteten deutschen Soldaten; Foto: Wolf Stegemann

Von Wolf Stegemann

Wer den Kriegsgräberfriedhof in Lembeck besucht und durch die Reihen der stei­nernen Kreuze geht, wird verwundert lesen, dass neun deutsche Soldaten anderthalb Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs gefallen sind.

Die Kreuze sind mit Namen und Lebensdaten versehen: Kurt Menzel (21 Jahre), Heinz Lehwald (27), Gerhard Niehus (26), Alfons Goliasch (29), Alfred Walk (22), Günter Takas (26), Adolf Klostereit (21), Peter Koschwitz. (19), Heinz Fahrentholz (22). Alle Namen tragen dasselbe Sterbedatum: 23. Dezember 1946. Was ge­schah damals, einen Tag vor dem heiligen Abend?

Grab des deutschen Kriegsgefangenen Fahrentholz in Lembeck

Im Schloss kriegsgefangene Munitionsräumer

Josef Dahlmann aus Lembeck erinnerte sich 1996 in einem Gespräch mit dem Autor dieses Artikels. Dahlmann war damals als dreizehn­jähriger Junge Ministrant an der Beerdigung der neun Soldaten dabei: „Die Soldaten waren Kriegsgefangene der Alliier­ten und auf Schloss Lembeck gefangen.“ Sie gehörten einem 80 Mann starken Sonderkom­mando an, das Bom­ben und Munition räumte und sie in der Kirchhellener Hei­de und in der Hardt durch Explosion entschärfte. Sie konnten sich relativ frei bewegen. Mitunter sah man die Freigänger im Dorf. Bewacht wur­den sie von alliierten Solda­ten. „An jenem Tag hatten sie Munition und Granaten ein­gesammelt, auf einen Lkw ge­laden und rumpelten Rich­tung Kirchhellener Heide. Da explodierte das Fahrzeug. Wie ein Lauffeuer sprach es sich einen Tag vor Weih­nachten herum, dass der Lkw mit den neun Gefangenen zwischen den Granaten auf der Ladefläche in die Luft ge­flogen war“, erinnerten sich Jo­sef Dahlmann und Hermann Bügers.

Ein Novum in Lembeck: ökumenische Trauerfeier

Das ökumenische Begräb­nis fand nach Weihnachten auf dem Lembecker Friedhof statt. Später wurden sie auf das eingerichtete Feld der Kriegstoten umgebettet. „Be­vor wir wussten, was Ökume­ne heißt, haben wir sie bei dieser Beerdigung prakti­ziert“, meinte Josef Dahlmann. Die Beerdigung wurde zusammen von den Pfarrern Roth (katholisch) und Herbeeck (evangelisch) gestaltet.

Am Begräbnis der deut­schen Soldaten nahmen auch die englischen Bewachungs­soldaten sowie die deutschen Kriegsgefangenen von Schloss Lembeck teil. „Diese ökume­nische Trauerfeier wurde da­mals von Katholiken in Lem­beck kritisiert. Doch der Leh­rer in der Schule sagte uns, dass vor Gott alle gleich seien!“, erinnerte sich Josef Dahl­mann.

Woher die deutschen Sol­daten kamen, die im Schloss gefangen waren und Bomben räumten, weiß man nicht ge­nau. Einige sagten, sie seien aus dem Osten gekommen. Um nicht in die sowjetisch besetzte Zone ausgeliefert zu werden und somit in russi­sche Gefangenschaft zu gera­ten, hätten sie sich freiwillig für das Himmelfahrtskom­mando gemeldet. Das gleiche Motiv hatten diejenigen, die aus dem Saarland kamen und an Frankreich ausgeliefert werden sollten. Sie hätten dann in den Bergwerken ar­beiten müssen. Auch munkelte man, dass unter den Gefange­nen SS-Männer waren, die durch Meldung in das Sprengkommando einer Be­strafung entgangen waren.

Ehemaliger Kriegsgefangener kam zu Besuch

„Vor Jahren“ berichtete Her­mann Bügers, „ist ein Ehe­paar ins Schloss gekommen. Ich hatte gerade Aufsicht in unserem Heimatmuseum. Der Mann aus dem Saarland gab sich als ehemaliger Kriegsge­fangener auf Schloss Lembeck zu erkennen. Er gehörte dem Sprengkommando an.“ Lei­der hat Hermann Bürgers den Kontakt zu dem Besucher ver­loren.

Nur noch neun steinerne Kreuze erinnern heute an das Ereignis vor 50 Jahren – und die Erinnerung an ein öku­menisches Begräbnis zu einer Zeit, wo „wir damals kaum die Bedeutung dieses Wortes kannten“.

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