Nunmehr Mädchen-Erziehung im nationalsozialistischen Geist – Die Verstaatlichung der Ursulinenschulen

Kloster und Lazarett in der Ursulastraße

Auch eine Bittschrift der Mutter des berühmten Fliegermajors Galland aus Marl, Aenne Galland, an Adolf Hitler über Hermann Göring (»Mein Führer! Als Mutter eines der erfolgreichsten Flieger glaube ich, eine Bitte vortragen zu dürfen …«) half nicht, die Ursulinen-Oberschule vor der Verstaatlichung zu retten. Während das Ursulinenkloster Lazarett wurde, begann am 15. September 1941 für 322 Ursulinen-Oberschülerinnen der Unterricht im neu gegründeten Staatlichen Gymnasium im Gebäude des Gymnasium Petrinum. Schulleiterin wurde Dr. Franziska Radke, NSDAP-Mitglied. Die Ursulinenschule wurde aufgehoben und das Kloster zur Unterzeichnung eines Mietvertrags genötigt, falls die nunmehr staatliche Schule in das Gebäude der Ursulinenschule, das noch vom Militär belegt war, umziehen sollte.

Am ersten Schultag hielt die neue Direktorin eine flammende Rede im Geiste der Umerziehung zum Nationalsozialismus: »Von nun an kennen wir nur noch einen Weg: den Weg, den uns der Führer vorgeschrieben hat! Unser Weg­spruch lautet mit den Worten des großen deutschen Dichters Walther von der Vogel­weide: „Tiuschiu zuht gät vor in allen!“ (Deutsche Zucht übertrifft alles).« Zudem wurden die Mädchen kontrollierend angehalten, in den Bund deutscher Mädel (BDM) einzutreten.

Dr. Franziska Radke (Mitte)

Unterrichtstätigkeit der Ursulinen verboten

Die Mittelschule blieb den Schwestern unter weltlicher Leitung zunächst erhalten. Der Unterricht fand weiterhin im Kloster statt und der Direktor zeigte sich gegenüber den Schwestern loyal. Allerdings kam nach wenigen Tagen der Bescheid, dass den Ursulinen die Unterrichtserlaubnis entzogen werde. Ein Jahr später, am 18. August 1942 wurde die Mittelschule in eine Hauptschule unter Leitung der NSDAP-Genossin Scholaster umgewandelt. Neuer Schulträger war der Kreis bzw. die Stadt. Dies war das damalige Ende der Unterrichtstätigkeit des Ordens in der Stadt Dorsten. Der staatliche Unterricht an der Schule dauerte allerdings nicht lange. Denn mit der Bombardierung der Stadt am 22. März 1945, bei dem Kloster und Schule in Schutt und Asche gelegt wurden, und den darauf erfolgten Einmarsch der Amerikaner war für die Dorstener die nationalsozialistische Diktatur und der Krieg zu Ende. Die Ursulinen waren sofort wieder zur Stelle, richteten sich notdürftig ein und begannen, ihre unterbrochene Schultätigkeit wieder aufzunehmen. Nach langwierigen Verhandlungen konnte die staatliche Schulleiterin abgelöst und am 23. November 1945 die Klosterschulen im Sinne der »restitutio juris« (d. h. zur Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtsverhält­nisses) wieder eröffnet werden.

Die Nationalsozialistin Dr. phil. Franziska Radke übernahm die Schule

Todesanzeige in den RN vom 13. August 1985

Die 1892 geborene Philologin Franziska Radke ging 1926 nach Kolumbien und gründete in Bogotá die Frauenuniversität. Dort schloss sie sich als Auslandsdeutsche schon früh der Auslandsorganisation (AO) der NSDAP an (Mitgl.-Nr. 27.665 und somit „Alte Kämpferin“) und folgte 1936 dem Ruf der NSDAP zur Rückkehr in die Heimat. Nach ihrer Zeit in Dorsten blieb sie nach Kriegsende im Schuldienst in Wanne-Eikel und ging 1953 nach Bogotá zurück. Drei Jahre später erhielt sie dort das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Von der kolumbianischen Regierung erhielt sie die „Medalla de la Orden Lasallista del Merito Educativo“. Nach ihrer Pensionierung 1957 lebte sie in Boppard am Rhein, wo sie 1985 starb.  Mit Dorsten verbanden sie bis zu ihrem Tod familiäre Beziehungen. Maria Dahmen (geborene Radke) war ihre Schwester. Daher wurde nach Franziska Radkes eine Todesanzeige in den Dorstener „Ruhr-Nachrichten“ am 13. Juli 1985 veröffentlicht.

Im Kloster richtete die Wehrmacht aufgrund von Beziehungen noch rechtzeitig ein Lazarett ein, damit SS und Gestapo die Klostergebäude nicht beschlagnahmen konnten. Bei der Bombardierung der Stadt am 22. März 1945 wurden Kloster, Kirche und Schule total zerstört. Der Wiederaufbau fand zwischen 1946 und 1954 statt, die Kirche wurde 1959 wieder errichtet.

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Quelle: Gekürzt nach Johanna Eichmann OSU:„Von nun an auf dem Weg des Führers – Die Verstaatlichung der Klosterschule“ in Stegemann/Hartwich (Hg) „Dorsten unterm Hakenkreuz“, Bd. 2. 1984
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