Im Glanz der Macht ein biederer Handwerker geblieben – NSDAP-Ortsgruppenleiter Ernst Heine residierte neun Jahre lang im Braunen Haus – Als CDU-Nachkriegspolitiker seine Funktion im Dritten Reich verheimlicht

Ernst Heine in Partei-Uniform

Von Wolf Stegemann

»Mein Vater war sicher nicht einer der bösen Nazis; er hat aber das Böse mitgetragen.« So beurteilte die Tochter des früheren Dor­stener NSDAP-Ortsgruppenleiters Ernst Heine ihren Vater, der von 1933 bis 1942 der mächtigste Mann in der Lippestadt gewesen war. Andere sagen anderes über ihn: »Man musste sich vor ihm in acht nehmen«, oder: »Heine war ein netter Mann, evangelisch und freundlich, der für viele ein gutes Wort einlegte«, oder: »Etliche hatten vor ihm Hor­ror«. Ein weiteres Urteil: »Er war ein biede­rer Uniformträger, der sich im Glanz der Macht sonnte, die er als braver Nazi-Schweifträger durch NSDAP-Stempel und Papierkram hatte.«

Der mächtigste Mann in Dorsten

Ernst Heine war ein biederer Bürger, ein bra­ver Schreinermeister, ein Mann, den es mehr zur bierseligen Kumpelhaftigkeit hinzog als zur kalt-glatten Machtausübung. Dennoch war Heine in Dorsten derjenige, der an der Schaltstelle allgewaltiger Partei­macht saß: Bürgermeister und Stadtverord­nete hatten vor ihm genauso Respekt wie die Milchfrau an der Ecke. Und er muss sich in dieser »Rolle« wohl gefühlt haben. Neun Jahre lang residierte der Schreinermeister in der Dorstener NSDAP-Zentrale im »Hermann-Göring-Haus« in der Lippestraße. Der Handwerker und Familienvater war der bestinformierte Bürger dieser Stadt. Über seinen Schreibtisch ging alles, was Partei- und Volksgenossen, Junge und Alte, Haus­frauen und Hitlerjungen, Geistliche und Kinderreiche anging. Er war es, der von vor­derster »Heimatfront« die »nationale Revo­lution« mit Fanfarenklängen und Trommel­wirbel, mit Führersprüchen und Heilge­schrei, mit Pathos und Drohungen auf dem Marktplatz oder in der Volkszeitung durch­zusetzen hatte. Weiterlesen

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Der Führer wollte das Reichsarbeitsdienstlager in Deuten besuchen. Die Leute saßen auch in den Bäumen und warteten – doch Hitler kam nicht

Fahnenappell im RAD-Lager "Ludwig-Knickmann" in Deuten

Von Wolf Stegemann

In der Zeit von 1932 bis 1933 gab es fünf Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes in Dorsten und der Herrlichkeit, um Arbeitslosen sinnvolle Aufgaben zu geben wie Kultivierung, Trockenlegung, Landschaftspflege. Drei der Lager befanden sich in Lembeck (bei Förster Geßler, in der Scheune des Ketteler-Hofs, bei Gladen), eins am Freudenberg (das spätere Erholungsheim für jüdische Kinder „Haus Berta“) und eins in Holsterhausen (Sägewerk Schroer, im Werth).

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gelang es dem Reichsleiter aller Arbeitsdienstlager, Konstantin Hierl, schnell, die kommunalen, kirchlichen und sonstigen Träger der Arbeitsdienstlager auszuschalten und den Freiwilligen Arbeitsdienst als NS-Arbeitsdienst gleichzuschalten. Aus Arbeitsdienstwilligen wurden Arbeitsmänner. Dazu die „Dorstener Volkszeitung“ am 24. Juni 1933:

„Bekanntlich sind die freiwilligen Arbeitslager in der Abwicklung begriffen. Der freiwillige Arbeitsdienst wird in einen staatlichen Dienst überführt. Zu diesem Zweck werden Stammlager mit 216 Mann Belegschaft eingerichtet. Dies hat zur Folge, daß die fünf FAD bis zum 30. September 1933 aufgelöst sein müssen. In der Herrlichkeit soll nur noch ein Lager in der Zukunft bestehen, und zwar nach den vorliegenden Plänen in Deuten. Deuten wurde als Stammlager vorgesehen, weil es als Mittelpunkt der Herrlichkeit sich am besten eignet.“ Weiterlesen

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Die „Röhm-Affäre“ – Forderungen der SA stürzten das „Dritte Reich“ in eine tiefe Krise

Ernst Röhm (li.) und Hitler (re.) - politische Weggefährten und Duzfreunde 1933

Von Detlev Schnitker

Der 30. Juni 1934 gilt als Abschluss der nationalso­zialistischen „Machtergreifung“: Die lang schwelen­de politische Konsolidierungskrise des „Dritten Reichs“ wurde beendet: Die SA als wesentlicher Träger der terroristischen Phase der „Machtergreifung“ wur­de entmachtet. Auf der anderen Seite steht der Auf­stieg der SS und die Zementierung der Reichswehr als einziger Waffenträger der Nation. Doch die Sta­bilisierung wurde bezahlt mit einer als „Staatsnot­wehr“ bezeichneten Mordaktion, die 85 Menschen das Leben kostete. Die nationalsozialistische Propaganda nannte dies „Niederschlagung des Röhm-Putsches“, was in Wirklichkeit der tödliche Schlag des Regimes gegen den unangepassten, aufbegeh­renden SA-Stabschef Ernst Röhm und dessen Füh­rungsclique war. Weiterlesen

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Trommler, Träumer und Betrogene – Die Hitlerjugend war ein Geschenk für den Führer

HJ-Trommler beim Sportfest; Foto: Bundesarchiv

Von Wolf Stegemann

Dienen und marschieren lernte beizeiten, wer in das Dritte Reich hineingeboren wurde: Im Jungvolk, in der Hitlerjugend, beim Arbeitsdienst und schließlich als Sol­dat. Viele überlebten diese Jugend nicht. Wer davongekommen war, hatte es schwer, sich von der totalen Prägung zu befreien. Heute gehen Hitlers Kinder in die Rente. 1947 wurde die Hitlerjugend-Generation im Zuge der Entnazifizierung mit Exekutivan­weisung Nr. 54/1947 für die britische Zone (Britischer Sektor von Berlin, Niedersach­sen,  Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen) als »unbelastet« amne­stiert. Dies war ein einmaliger Vorgang, denn beispielsweise die Amerikaner ließen ihre üppige Militärbürokratie zur Erfor­schung nationalsozialistischer Beschäftigung der deutschen Jugend üppig wuchern. Nicht selten wurden Hitlerjugend-Führer oder BDM-Führerinnen als »Hauptschuldige« eingestuft.

Inzwischen hat sich die Diskussion darüber beruhigt, ob diese oder jene HJ-Jahrgänge »umerziehbar« seien, ob ihnen jemals als Demokraten zu trauen sei, nachdem sie in den entscheidenden Jahren der Persönlich­keitsprägung den Namen Hitlers getragen hatten und für sein System erzogen worden waren. Weiterlesen

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Hitlerjugend: CDU-Landespolitiker Werner Kirstein – Wechseljahre eines Hitlerjungen

Werner Kirstein, HJ-Führer

Von Rudolf Plümpe (†)

Sie wurden Atz und Nutz genannt, Karla und Puma, auch Lotti und Manni; einer hieß Graf (ohne einer zu sein), andere hatten Spitznamen wie Renner, Schnattergans und Wassermann. Dahinter verbergen sich teil­weise bis heute in Dorsten allseits bekannte Nachnamen. In der Zeit des Nationalsozia­lismus waren sie die Stars, die großen Vorbil­der als Führer von Jungvolk und Hitlerju­gend. Ihre Uniformhemden zierten grüne, weiße oder rote Kordeln. Die Gesichter spie­geln etwas wider vom Leitspruch, dem sie sich verpflichtet fühlten: Jungvolk jungen sind hart, schweigsam und treu, Jungvolk­jungen sind Kameraden, der Jungvolkjun­gen Höchstes ist die Ehre! So nachzulesen im Album, das eine von nationalsozialistischer Ideologie geprägte Ju­gend in Gemeinschaftsarbeit mit Fotos und Texten gestaltete. Dieses in seiner Art ein­zige Dokument befand sich im Besitz [des 2005 verstorbenen] Werner Kirstein, dem bekannten CDU-Poli­tiker, den alte Dorstener noch als Jungvolk­führer gekannt haben. Weiterlesen

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