Im Sinne des Nationalsozialismus wurden Städte mit Ehrentiteln ausgezeichnet

W. St. – Seit jeher bekamen Städte zu ihnen passende Beinamen, um gleichnamige Orte voneinander unterscheiden zu können. Als Beinamen wurden Flüsse verwendet an denen der Ort lag (Rothenburg ob der Tauber), Berge (Neustadt am Rübenberge), Landschaftsbezeichnungen (Worms im Veltin) oder Inseln (Burg auf Fehmarn). Darüber hinaus schmückten sich Städte mit Beinamen, um sich von anderen mitunter protzend oder werbend abzuheben (Nürnberg, „des Reiches Schatzkästlein“) oder Hamburg, („Tor zur Welt“). Im Dritten Reich wurden daraus im Sinne des Nationalsozialismus offiziell vergebene „Ehrennamen“. Mehrere Städte durften die Titel dann als weihevoll als Beinamen führen.

Die 1945 in Wolfsburg umbenannte Ansiedlung bei der Gemeinde Fallersleben für das Volkswagen-Werk erhielt 1938 den Gründungsnamen „Stadt des KdF-Wagens“. Berlin-Friedrichshain durfte sich ab 1933 „Horst-Wessel“-Stadt nennen, Braunschweig gab sich selbst den Titel „Die deutsche Siedlungsstadt“ und Bremen die „Stadt der Kolonien“. Coburg in Oberfranken erhielt 1939 den Ehrentitel „Erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands“ und Frankfurt am Main nannte sich ab 1935 „Stadt des deutschen Handwerks“. Goslar war ab 1936 die Reichsbauernstadt und Landberg am Lech bekam 1937 den Ehrentitel „Stadt der Jugend“ verliehen. Leipzig war ab 1937 die „Reichsmessestadt“, München schon ab 1933 die „Hauptstadt der deutschen Kunst“ und ab 1935 die „Hauptstadt der Bewegung“ (gemeint die nationalsozialistische). Neumarkt in der Oberpfalz durfte sich die „Dietrich-Eckart-Stadt“ nennen und Nürnberg die „Stadt der Reichsparteitage“. Salzgitter nannte sich die „Stadt der Hermann-Göring-Werke“, Soest die „Stadt des deutschen Mittelalters“ und Stuttgart bekam 1936 den Titel „Stadt der Auslandsdeutschen“ verliehen.

In der damaligen Ostmark (Österreich) dürfte sich Graz 1938  „Stadt der Volkserhebung“ nennen, Innsbruck „Stadt der Bergsteiger“ und  Salzburg Stadt der „Lebensforschung“. Linz hieß zunächst „Jugendstadt des Führers“ bzw. „Heimatstadt des Führers“ und dann 1938 „Gründungsstadt des Großdeutschen Reichs“ und „Patenstadt des Führers“. Wels war in der Ostmark die „Stadt der Bewegung“.

Heute geben sich Städte selbst ihre Beinamen

In der Bundesrepublik wurde das Führen von Beinamen noch verstärkt. Dafür gibt es gesetzliche Regelungen. Beispielsweise hat Nordrhein-Westfalen jüngst die gesetzlichen Regelungen teilweise aufgehoben und es den Städten überlassen, wie sie sich nennen: Der Zusatz Bad bleibt weiterhin amtlich geregelt und nur an Heilbäder vergeben. Die Stadt Aachen verzichtet auf das ihr rechtlich zustehende „Bad“ im Namen, um seinen ersten Platz in alphabetischen Auflistungen der Städte zu behalten.

Hansestadt gilt für die Städte, die in der Hanse waren. Dorsten nennt sich hin und wieder auf Werbeprospekten „Kleine Hansestadt an der Lippe“, was eine Übertreibung sein dürfte, in der Werbung allerdings augenzwinkernd erlaubt. Wittenberge nennt sich nun offiziell „Lutherstadt“, Osnabrück „Friedensstadt“ (Dreißigjähriger krieg9 und das niederbayerische Straubing, eher bekannt als Zuchthausstadt, nennt sich nun „Wissenschaftsstadt“.

 

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Horst Wessel – sein kurzes Leben und sein langlebiges Lied: Wie die Propaganda seine Lebensgeschichte zum NS-Mythos verklärte und das Lied noch heute in den Köpfen herumspukt

NS-Propagandapostkarte: Kämpferischer Auftritt der SA im Kommunisten-Viertel

Von Wolf Stegemann

Immer wieder, und das sehr oft, wird in unseren Artikeln über Rothenburger Ereignisse berichtet, dass bei Treffen der unterschiedlichen NSDAP-Gliederungen, aber auch bei kommunalen oder staatlichen Ereignisse nach der Nationalhymne das Horst-Wessel-Lied gesungen wurde. Und zwar bei jedem Anlass und so oft, dass der Text auch lange Zeit nach 1945 in den Köpfen der Menschen blieb. Darüber kann der Verfasser aus der eigenen Familie und jüngster Zeit berichten.

„Als ich zusammen mit meiner Mutter im Fernsehen einen Filmbericht über die Olympiade 1936 in Berlin sah, bei der meine Mutter als Zuschauerin auf den Rängen saß, stand die 95-jährige leicht altersdemente Frau plötzlich vom Sessel auf und sang auswendig alle Strophen des Horst-Wessel-Liedes – und hatte ihren Spaß daran. Ich war darüber eigentümlich berührt und froh, dass außer mir diese Szene niemand mitbekam. Das war 2008.“

Wer war Horst Wessel und wie kam es zu seinem Lied?

NS-Propaganda-Heft 1929; Horst Wessel auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg

Hinter dieser geschilderten Erinnerung steckt der Name Horst Wessel. Während des Dritten Reiches hatte kaum jemand von denen, die inbrünstig das Horst-Wessel-Lied gesungen hatten, gewusst, wer Horst Wessel wirklich war. Die Nazi-Propaganda glorifiziert ihn als idealistischen Ur-Streiter: einen Studenten, der den Kampf gegen die Kommunisten in den proletarischen Vierteln rund um den Alexanderplatz in Berlin aufnahm und der 1930 als 22-Jähriger bei einem Überfall in seiner Wohnung tödlich verletzt wurde. Dieser frühe Tod war die Basis der Legenden. Der wirkliche Horst Wessel blieb auch nach 1945 jahrzehntelang unbekannt. Erst als nach der Wiedervereinigung 1990 Wessel-Akten im Stasi-Unterlagen-Archiv entdeckt wurden, konnte der Berliner Historiker Daniel Siemens erstmals ein reales Bild über Horst Wessel zeichnen.

Sohn aus gutbürgerlicher Familie in Bielefeld und Berlin aufgewachsen

Horst Wessel war ein 1907 in Bielefeld (NRW) geborener Sohn des protestantischen Pfarrers Ludwig Georg Wessel. Sechs Jahre später zog die Familie nach Berlin und Sohn Horst wurde als 16-Jähriger Mitglied im „Bismarck-Bund“, dem Jugendverband der rechtskonservativen „Deutschnationalen Volkspartei“ (DNVP), und im rechtsextremen „Wiking-Bund“ unter Führung des ehemaligen Marineoffiziers Hermann Ehrhardt bei, der als Nachfolgeverband der 1922 verbotenen „Organisation Consul“ fungierte. Der frühere Geschäftsführer der Dorstener Quarzwerke, Karl Tillessen, war wie sein Bruder auch –  debenso Mitglied in dieser verbrecherischen Organsisation.

SA-Kämpfer Horst Wessel

Nach deren Verbot ging der Jurastudent Wessel 1926 in die SA und NSDAP. Seine Aufgaben bestanden hauptsächlich in der Rekrutierung neuer Mitglieder und dem Aufbau von Gruppen der „Hitler-Jugend“ (HJ). Zwei Jahre später brach er sein Studium ab und stellte sich ganz in den Dienst der SA. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit Gelegenheitsarbeiten. Wegen seiner organisatorischen und rhetorischen Fähigkeiten sowie seiner offenen Gewaltbereitschaft war er bald einer der bekanntesten nationalsozialistischen Agitatoren in Berlin, deren „Truppführer“ er 1929 wurde. Er organisierte hauptsächlich die SA-Arbeit im Berliner Stadtteil Friedrichshain, wo auch viele Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) lebten, mit denen sich die SA heftige Straßenkämpfe lieferte. Im gleichen  Jahr veröffentlicht die von dem Berliner NS-Gauleiter Joseph Goebbels herausgegebene NSDAP-Zeitung „Der Angriff“ ein Gedicht Wessels mit dem Titel „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen!“, welches später als „Horst-Wessel-Lied“ bekannt werden sollte. Im September 1929 zog Wessel mit seiner Lebensgefährtin Erna Jaenicke in eine gemeinsame Wohnung. Er schränkte daraufhin sein Engagement für die SA und NSDAP stark ein.

Unter mysteriös erscheinenden Umständen erschossen

Der Täter Albrecht Höhler (Polizeifotos 1930)

Der junge Horst Wessel wurde am 14. Januar von Albrecht Höhler (1898-1933), einem Mitglied des „Roten Frontkämpferbunds“ (RFB), angeschossen und schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Die Umstände dieser Tat blieben bis 1990 der Öffentlichkeit unbekannt. Am 23. Februar starb Horst Wessel an seinen Verletzungen. Goebbels stilisiert ihn daraufhin in einer breit angelegten Propagandakampagne zu einem „Blutzeugen der Bewegung“, woraus ein regelrechter Horst-Wessel-Kult entstand. Seine Taten verklärten die Nazis so, dass sie sogar den Berliner Arbeiterbezirk Friedrichshain in „Horst-Wessel-Stadt“ umbenannten. Ein Segelschulschiff der Reichsmarine erhielt den Namen Horst Wessel. Aus ihm selbst machten sie einen idealistischen Ur-Streiter: einen Studenten, der den Kampf gegen die Kommunisten um die proletarischen Viertel rund um den Alexanderplatz aufnahm und der 22-jährig bei einem Überfall in seiner Wohnung tödlich verletzt wurde. Dieser frühe Tod war die Basis der Legenden. Real ist vielmehr, wie Daniel Siemens herausfand, dass Horst Wessel, lediglich für ein Dreivierteljahr Sturmführer im Bezirk Friedrichshain war, der als ausgewiesener Arbeiterbezirk nicht zu den starken Bezirken der Nationalsozialisten gehört hatte. Die Prozessakten nahm 1933 die Gestapo unter Verschluss, 1945 die Stasi. Der Alliierte Kontrollrat verbot 1945 das Lied. Dieses Verbot ist aufgrund § 86a StGB in Deutschland bis heute in Kraft. In Österreich gelten vergleichbare Bestimmungen.

Zu sechs Jahre Gefängnis verurteilt, nach 1933 im Wald erschossen

Albrecht Höhler geflohen; Steckbrief 1930

Albrecht Höhler (1898–1933) flüchtete zunächst nach Prag, kehrte dann aber nach Berlin zurück, wo er festgenommen wurde. 1930 wurde Höhler wegen Totschlags zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Höhler in ein Gefängnis der Gestapo in Berlin verlegt. Am 20. September 1933 wurde Höhler auf Befehl des SA-Gruppenführers von Berlin von drei Kriminalbeamten am Polizeigefängnis am Alexanderplatz auf Grundlage eines von der Gestapo unterzeichneten Aushändigungsbefehls übernommen, offiziell, um ihn in ein anderes Gefängnis zu überführen. In der Nähe des Potsdamer Platzes stießen einige weitere Fahrzeuge zu dem Gefangenentransporter. Die Fahrzeugkolonne fuhr in Richtung Frankfurt an der Oder. Etwa 12 km vor Frankfurt wurde Höhler in einem Waldstück als Mörder von Horst Wessel zum Tode verurteilte. Höhler wurde daraufhin von mehreren der Anwesenden nahe der Chaussee Berlin-Frankfurt erschossen. Die Leiche wurde an Ort und Stelle notdürftig vergraben. Im offiziellen Bericht zu dem Vorfall wurde wahrheitswidrig behauptet, der Transport sei von einer sieben bis acht SA-Männern umfassenden Gruppe auf der Straße abgefangen und die Beamten unter Androhung von Gewalt zur Herausgabe Höhlers gezwungen worden, der dann mit unbekanntem Ziel verschleppt worden sei.

Wessels Prozessakten im Stasi-Unterlagen-Archiv entdeckt

Wessels Mitgliedsausweis in der Bismarck-Jugend

Seit dem Krieg waren die Prozessakten verschollen. Diese fand Daniel Siemens bei seiner wissenschaftlichen Detektivarbeit im Stasi-Unterlagen-Archiv. Die Stasi hatte die Akten bewusst unter einer falschen Registraturnummer abgelegt. In den Akten befinden sich Zeugenaussagen über den Mord und dem Tag danach. Albrecht Höhler, der Todesschütze, war ein Zuhälter und Krimineller aus dem kommunistischen Milieu. Daniel Siemens:

„Zeile für Zeile lässt sich in den Akten verfolgen, dass sich Horst Wessel in ein Geflecht aus ideologischen und privaten Fehden mit dem Arbeiter-Milieu verstrickt hatte. Dass er mit einer ehemaligen Prostituierten zusammenzog und dass er Mietstreitigkeiten mit seiner Vermieterin hatte. Das alles summierte sich bei dem Überfall, bei dem der Mörder schließlich auf eigene Faust handelte. Die Nazis warteten die Ermittlungen erst gar nicht ab. Für ihre Propaganda-Zwecke war der Fall ein gefundenes Fressen.“

Der Horst-Wessel-Kult begann gleich nach dem Tod

Grab Horst Wessels im November 1934

Wessel war noch gar nicht tot, da hatte Goebbels schon im Blick, dass sich hier eine NS-Märtyrer-Geschichte ereignen könnte. Horst Wessel wurde im Grab seines Vaters bestattet. Der Grab-Besuch zum Todestag und das rituelle Absingen des Horst-Wessel-Liedes wurden zu sakralen Bestandteilen einer Staatsreligion, der Pfarrerssohn wird zu einer Art Christus-Figur. Plätze, Straßen und Krankenhäuser werden nach Wessel benannt, dabei sind auch die Zeilen des Wessel-Lieds eigentlich nur ein kaum bekanntes Pennäler-Gedicht. In Statuen erscheint sein Dichter hart wie Krupp-Stahl, während er in Wahrheit ein schmächtiger Jüngling war, der bei der „Wiking-Jugend“ Gitarre spielte.

Der Horst-Wessel-Kult nach 1945: Die NPD hielt Verklärungsseminare

Grab nach der Wiedervereinigung 1990

Der Horst-Wessel-Kult wird in heutigen NPD-Kreisen wieder aktiviert. In einem Strategiepapier rühmt der NPD-Nachwuchs das „politische Soldatentum“ nach dem Vorbild von Wessel. Der reale Horst Wessel war indes ein von der Nazi-Ideologie verblendeter Bürgerssohn, der in dem Milieu, mit dem er sich einließ, strauchelte und umkam.
Sein Grab befand sich auf dem St. Nikolai-Friedhof  im Prenzlauer Berg neben dem seines Vaters, dem ehemaligen Pfarrer von St. Nikolai. Bis 1945 war es Aufmarschplatz der Nationalsozialisten. 1945 wurde der Namen vom Grabstein entfernt, auf dem auch der sines Vaters stand. Nach der Wiedervereinigung setzten Rechtsradikale einen neuen einfachen Stein. Sie nutzten die Begräbnisstelle als Wallfahrtsstätte.

Eingeebnetes Wessel-Grab

Um den Zugang dazu zu behindern, pflanzte die Friedhofsverwaltung mehrere Sträucher auf dem eingeebneten Platz, die in nächtlicher Aktion aber wieder herausgerissen und durch Blumen ersetzt wurden. Jahr für Jahr huldigten Neonazis vor allem rund um Wessels Todestag am 23. Februar dem SA-Mann, legten Kränze und Blumen nieder. 2001 wollte die „Kameradschaft Germania“ eine Mahnwache samt „Reichskriegsflagge, Fackeln und Megafon“ mit 70 Teilnehmern abhalten. In den letzten Jahren blieb es bei Rosen mit schwarz-weiß-roten Bändern sowie „Unvergessen“-Kerzen. 2013 veranlasste der zuständige Pfarrer die Entfernung des Steins und aller anderen Hinterlassenschaften und ebnete die Grabstelle erneut ein. Vor der Presse: „Wir kontrollieren die Stelle regelmäßig und werden auch künftig alles wegräumen.“ Das Grab ist zwar weg, ob der Friedhof aber zur Ruhe kommt, ist ungewiss.

Das Singen des Liedes ist strafbar, dennoch wird es immer wieder gespielt

Schändung des Opferdenkmals auf dem Kommunalfriedhof Salzburg 2014

Dass das Horst-Wessel-Lied bis heute noch in vielen Köpfen herumspukt, belegen auch einige gerichtsanhängige Vorkommnisse. Es gibt keine geführten Statistiken über das verbotswidrige Absingen dieses Liedes, nur Einzelfälle:
Bei einem Traditionstreffen eines Fallschirmjägerverbandes in Würzburg wurde 1955 nach dem Deutschlandlied das „Horst-Wessel-Lied“ gesungen. – Im Jahr 1957 wurde es mehrfach von angetrunkenen Staatsanwälten, darunter dem Ersten Staatsanwalt bei der Schleswig-Holsteinischen Generalstaatsanwaltschaft Kurt Jaager, in den Räumen des Oberlandesgerichts in Schleswig „gegrölt“, unter anderem auch zur Mittagszeit in der Kantine des Oberlandesgerichts. Kurt Jaager wurde seines Dienstes enthoben. – Bei einem Gesangskonzert 1986 in Lingen (Emsland) sangen die Choristen zum Abschluss das Horst-Wessel-Lied. Die juristische Auseinandersetzung darüber ging bis zum Oberlandesgericht und führte zur heutigen Rechtsprechung des Verbots. – In den Jahren 1987 bis 1989 gab es in der DDR elf Prozesse gegen Jugendliche (Rostock), weil sie das Lied gesungen hatten. – Der spektakulärste Vorfall mit einem Todesopfer ereignete sich im Jahre 2000 in Halberstadt. Ein 60-jähriger Rentner beschwerte sich bei der Polizei, in der Wohnung über ihm werde lautstark das Horst-Wessel-Lied abgespielt. Die Polizeibeamten verwarnten den 28-jährigen Wohnungsinhaber allerdings nur wegen Ruhestörung. Der Rentner drohte diesem, er werde ihn anzeigen, wenn er noch einmal „Nazimusik“ höre. Später kam es zu einem Zusammentreffen der beiden im Treppenhaus, bei dem der Musikhörer den Rentner erstach. Er machte Notwehr geltend und wurde freigesprochen, da weder dieses Argument widerlegt noch das Abspielen des Liedes nachgewiesen werden konnte, so das Urteil.

Der Text des Kampfliedes der NSDAP-Sturmabteilung

NS-Propaganda-Postkarte

Der Text Wessels glorifiziert die paramilitärische Unterorganisation der NSDAP, die SA. Die Melodie ist eine gängige und wurde aus verschiedenen vorhandenen Kompositionen zusammengestellt, darunter die bayerische Moritat vom Wildschütz Jennerwein. Die SA und der von ihr ausgeübte Terror spielten eine bedeutende Rolle bei der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur. Im Liedtext wird sie jedoch ausschließlich als Massenbewegung im Kampf für Freiheit und soziale Gerechtigkeit dargestellt, während der aggressive Charakter der Organisation und ihr ausgeprägter Antisemitismus nicht thematisiert werden. Hier der Text des „Horst-Wessel-Lieds“.

Die Fahne hoch!
Die Reihen fest (dicht/sind) geschlossen!
SA marschiert
Mit ruhig (mutig) festem Schritt
|: Kam’raden, die Rotfront und Reaktion erschossen,
Marschier’n im Geist
In unser’n Reihen mit :|

Die Straße frei
Den braunen Bataillonen
Die Straße frei
Dem Sturmabteilungsmann!
|: Es schau’n aufs Hakenkreuz voll Hoffnung schon Millionen
Der Tag für (der) Freiheit
Und für Brot bricht an :|

Zum letzten Mal
Wird Sturmalarm (/-appell) geblasen!
Zum Kampfe steh’n
Wir alle schon bereit!
|: Schon (Bald) flattern Hitlerfahnen über allen Straßen (über Barrikaden)
Die Knechtschaft dauert
Nur noch kurze Zeit! :|

Zum Abschluss wurde die erste Strophe wiederholt.

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Quellen: Daniel Siemens: „Horst Wessel. Tod und Verklärung eines Nationalsozialisten“, Siedler 2009. – „Berliner Kurier“ vom 30. August 2013. – Wikipedia (Aufruf 2016).
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Gaue der NSDAP waren im Deutschen Reich „Hoheitsgebiete“ und die Gauleiter einflussreich, weil sie Adolf Hitler persönlich oft nahestanden

GAue-reichsgaueW. St. – Den Begriff „Gau“ aus der deutschen Frühgeschichte gab und gibt es noch in deutschen Landschaftsnamen: Hennegau, Kraichgau, Allgäu. Ihn nutzte die NSDAP zur Bezeichnung für die nach dem Reich nächst höhere Organisationsgliederung („Hoheitsgebiete“). Ein Gau bestand aus Kreisen, die sich aus Ortsgruppen zusammensetzten. Diese waren wiederum in acht Zellen untergliedert, darunter gab es als kleinste NSDAP-Organisationseinheit vier bis acht Blocks mit jeweils 40-60 Haushalten. 1941 gab es in alphabetischer Reihenfolge die Gaue: Baden, Bayerische Ostmark, Berlin, Danzig-Westpreußen, Düsseldorf, Essen, Franken, Halle-Merseburg, Hamburg, Hessen-Nassau, Kärnten, Köln-Aachen, Kurhessen, Magdeburg-Anhalt, Mainfranken, Mark Brandenburg, Mecklenburg, Moselland, München-Oberbayern, Niederdonau, Niederschlesien, Oberdonau, Oberschlesien, Osthannover, Ostpreußen, Pommern, Sachchen, Salzburg, Schleswig-Holstein, Schwaben, Steiermark, Sudetenland, Südhannover-Braunschweig, Thüringen, Tirol-Vorarlberg, Wartheland, Weser-Ems, Westfalen-Nord, Westfalen-Süd, Westmark, Wien, Württemberg-Hohenzollern. Weiterlesen

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Im Glauben an den Sieg und die heilige Sendung des Führers – Die Dorstener NSDAP in der Kampfzeit von 1925 bis 1933

Von Wolf Stegemann

Geburtsstunde der Dorstener NSDAP war der 2. August 1925. Etwa 20 Dorstener, wohl aus dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbündnis oder ähnlichen nationalen Or­ganisationen kommend, scharten sich um den Bergmann Gustav Klein (NSDAP-Mit­glied-Nr. 28.529) und die »blutrote Fahne« in Dorsten-Hardt. Zehn Jahre nach dieser in der Öffentlichkeit unbemerkten Parteigründung schrieb die »Dorstener Volkszeitung« 1935: »Ihr rastloses Kämpfen und Mühen war das Samenkorn, das inmitten einer feindlich gesinnten Welt langsam aufging und später zu herrlicher Blüte gedieh.« Die feindlich Gesinnten wa­ren die »schwarzen« Altstadt-Dorstener und die »roten« Hervest-Dorstener. In so mancher Wirtshaus- und Straßenkeile­rei, die freilich nicht Ausmaß und Bedeutung der Saalschlachten in München oder Berlin hatte, schlugen sich die wenigen Nazis auf Befehl ihrer Gauleitung Ruhr (Gauleiter da­mals: Viktor Lutze, Elberfeld) für Partei und Führer. Weiterlesen

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Gerhard Bodden leitete Strassers „Schwarze Front“ in Dorsten – Verräterische Fäden zwischen Wien und der Lippestadt

Gregor Strasser, Führer der "Schwarzen Front"

Von Wolf Stegemann

Dr. Otto Strasser, ursprünglich Sozialdemokrat, war von 1925 bis 1930 Mitglied der NSDAP. Dem linken Flügel der Partei zugehörig, leitete er seit 1926 den von seinem Bruder Gregor (1934 von Hitler ermordet) gegründeten „Kampfverlag“. Gregor Strasser brach 1930 mit Hitler und schuf die „Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten“, nach ihrem publizistischen Organ auch „Schwarze Front“ genannt. Strasser emigrierte 1933 nach Wien. Später ging er nach Prag und Kanada und kehrte 1955 in die Bundesrepublik zurück.

Auch in Dorsten hat es eine 1931 gegründete „Schwarze Front“ gegeben. Ihr Versammlungslokal war die Gastwirtschaft „Freitag“. Schon damals beschmierten ihre Mitglieder die Häuser jüdischer Bürger mit Hetzparolen. Im Kreis Recklinghausen spielte die „Schwarze Front“ politisch eine geringe Rolle. Ihre Werbetätigkeit ging von Dorsten aus, wo sich eine Gruppe von etwa zehn Anhängern um ihren Führer Gerhard Bodden versammelte, die nach Auffassung der damaligen Polizeibehörde „äußerst radikal“ gegen den hitlerschen Nationalsozialismus eingestellt war. Nach dem 30. Januar 1933, als Hitler an die Macht kam, wurde Bodden in Dorsten festgenommen. In der Vernehmung gab er zu, als „Kampfleiter“ der „Schwarzen Front“ mehrmals mit dem inzwischen in Wien agierenden Dr. Otto Strasser in Verbindung gestanden zu haben. Das weitere Schicksal von Gerhard Bodden, der an der Marler Straße 8 wohnte, ist nicht bekannt.

Interessanterweise unterschrieb er am 13. Oktober 1930 als Ortsgruppenleiter der NSDAP einen Brief an „alle Parteigenossen der Ortsgruppe Dorsten“. Es muss kurz vor seinem Wechsel zur „Schwarzen Front“ gewesen sein. Das Schreiben stammt aus der so genannten „Handakte Köster“. Fritz Köster war Nachfolger von Ortsgruppenleiter Klein und später besoldeter Beigeordneter der Stadt Dorsten. Offensichtlich hat man den „Zwischen-Ortsgruppenleiter der Dorstener NSDAP“, Gerhard Bodden, als Volks- und Parteiverräter fortan totgeschwiegen, seinen Namen und seine Funktion schon 1931 aus der Chronik der Dorstener NSDAP gestrichen.

Brief von G. Bodden (NSDAP-Dorsten) aus der Handakte Köster,1930

Brief an die Dorstener Parteigenossen

In dem Brief an die Dorstener Parteigenossen geht es um den Wahlkampf vor den zu erwartenden Wahlen. Gerhard Bodden schreibt, dass die NSDAP-Ortsgruppe Dorsten zwischenzeitlich eine Zunahme an Wählerstimmen von über 2.000 Prozent zu verzeichnet habe, wofür er sich bei den Parteigenossen für deren Einsatz bedanke.

Dann appelliert er, die Jugend für den Nationalsozialismus zu begeistern: „Die Jugend bedeutet die Zukunft der Partei!“ Daher beabsichtige die Partei, so Bodden weiter, die Gründung einer „Hitler Jugendgruppe“. Sodann empfiehlt der Ortsgruppenführer die neu geschaffene Parteizeitung im Gau Westfalen, die „Westfalenwacht“, die bereits mit den zwei ersten Exemplaren in einer Auflage von 13.000 erschienen war. Parteigenosse Albert Mewes in der Schulstraße 14 nehme die Bestellungen für 20 Pfennige das Stück entgegen. Er beendet den Brief mit „Wer rastet, der rostet! Deshalb: Auf Genossen, zu neuer Arbeit! Mit Hitlerheil! G. Bodden, Ortsgruppenführer.“

Die Schwarze Front und die Brüder Strasser

1925 trat Otto Strasser (1897 bis 1974) in die NSDAP ein und vertrat zusammen mit seinem Bruder Gregor (1892 bis 1934) in Westfalen und Rheinland nachhaltig einen sozialrevolutionären Kurs. Dies führte schließlich zu harten Auseinandersetzungen mit der Münchner Gruppe um Hitler. 1926 gründeten die Brüder Strasser den Kampfbund-Verlag GmbH. Hitler wollte diesen 1930 für 130.000 Reichsmark kaufen. Dazu kam es nicht, denn Otto Strasser brauchte den Verlag als Sprachrohr der „Schwarzen Front“, der so genannten „Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten“. Im selben Jahr kam es zum Bruch mit Hitler. Am 4. Juli 1930 trat Otto Strasser aus der NSDAP aus.

Otto Strasser verfügte über Organisationstalent und hatte wesentlichen Anteil am Aufstieg der NSDAP. Auf seine Initiative ging 1926 die Bildung der SA in Berlin zurück. Er näherte sich – rhetorisch gesehen – der Idee der nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes, wie sie damals die KPD vertrat. In der zeitgenössischen Literatur firmierte dies unter „Nationalbolschewismus“. Mit dem Sozialismus von Karl Marx hatte er nichts gemeinsam, forderte er doch die Rückkehr zu mittelalterlichen Zuständen (Reichsständekammer, Erblehen, Zünfte, Re-Agrarisierung, Binnenwährung, Kriegsadel) und eine „germanische Demokratie“. Wie Hitler vertrat er einen brutalen Antisemitismus.

Von Juni 1931 bis zum Verbot am 4. Februar 1933 gab Gregor Strasser die Wochenzeitung „Die schwarze Front“ heraus. Ihre Auflage blieb unter 10.000 Exemplaren. Statt der proletarischen Revolution proklamiert sie die „deutsche Volksrevolution“, wofür alle verfügbaren Kräfte aus der Roten Front gewonnen werden sollten. Als Reichskanzler Kurt von Schleicher Gregor Strasser im Dezember 1932 die Vizekanzlerschaft und das Amt des preußischen Ministerpräsidenten anbot, verschärfte dies die Rivalität zu Hitler noch mehr. Die Berliner Gestapo ermordete Gregor Strasser  am 30. Juni 1934 (Röhm-Putsch). Sein Bruder Otto Strasser emigriert 1933 nach Österreich, Prag, Schweiz, Portugal und 1943 nach Kanada.

 

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