Chronik der Jahre 1933 bis 1945: Am Ende lagen Menschlichkeit und Kirchen in Trümmern – nicht der Glaube

Von Brigitte Stegemann-Czurda

1933

30.Januar

Reichspräsident Hindenburg beruft Adolf Hitler zum Reichskanzler. Das NS-Reich be­ginnt.

1. Februar

Auflösung des Reichstags und Ansetzung von Neuwahlen.

27. Februar

Der Reichstag brennt. Die Nationalsoziali­sten geben sofort den Kommunisten die Schuld. Noch in der Nacht kommt es zu zahl­losen Verhaftungen. – Ex-Reichskanzler Brüning kommt nach Dorsten und spricht im Festsaal von Maria Lindenhof vor über 300 Geistlichen der Diözese. In seiner Rede sieht Brüning sehr pessimistisch in die Zu­kunft. Während er spricht, schreibt ein Geistlicher die Rede mit. Brüning verbietet dies. Als der Ruf „Polizei im Saal!“ ertönt, blicken alle zur Tribüne. Dort sitzt ein Poli­zeileutnant. Ihm wird erklärt, dass es eine ge­schlossene Veranstaltung sei. Daraufhin ver­lässt der Polizist den Saal.

28. Februar

Verordnung des Reichspräsidenten „Zum Schutz von Volk und Staat“. Verbot der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung (Zeugen Jehovas).

5. März

Bei der Reichstagswahl erhält die NSDAP 43,9 Prozent der abgegebenen gültigen Stim­men und 162 von 422 Mandaten.

6. März

In Dorsten wehen am Rathaus, an der Post und am Bahnhof Hakenkreuzfahnen.

9. März

Auf dem Dorstener Marktplatz findet eine nationale Kundgebung statt. Die Geistlich­keit nimmt geschlossen daran teil. Bürger­meister Lürken hält eine „begeisterte natio­nale Rede“.

15. März

Die Zahl der Arbeitslosen sinkt erstmals un­ter die Sechs-Millionen-Grenze. Unbekannte richten in der Franziskanerkirche groben Unfug an. Eine brennende Kerze soll den Bücherverkaufsstand in Flammen aufgehen lassen. Die Kerze wird aber entdeckt.

23. März

Annahme des „Ermächtigungsgesetzes“ im neuen Reichstag. Hitler verspricht, die Rechte der Kirche nicht zu schmälern.

29. März

Kundgebung der Fuldaer Bischofskonfe­renz: „Es ist nunmehr anzuerkennen, dass von dem höchsten Vertreter der Reichsre­gierung, der zugleich höchster Führer der Bewegung ist, öffentlich und feierlich Erklä­rungen gegeben sind, durch die der Unver­letzlichkeit der katholischen Glaubenslehre und den unveränderten Aufgaben und Rechten der Kirche Rechnung getragen, so­wie die vollinhaltliche Erhaltung der von den einzelnen Ländern mit der Kirche abge­schlossenen Staatsverträge durch die Reichsregierung ausdrücklich zugesichert wird …“

30. März

Der Protestant Fritz Köster wird Besoldeter Beigeordneter der Stadt Dorsten. Vordem war er Ortsgruppenleiter der NSDAP.

1. April

Erster Boykott jüdischer Geschäfte. Pfarrer Ludwig Heming von der St. Agatha-Gemeinde schreibt darüber keine einzige Zeile in der Chronik.

1. Mai

Tag der nationalen Arbeit. In der Agathakir­che findet um 8.30 Uhr ein feierliches Hoch­amt statt, bei dem zum ersten Male Hakenkreuzfahnen im Innenraum der Kirche zu se­hen sind. Anschließend lädt die NSDAP die Senioren zum Kaffeetrinken in die Gaststätte Koop ein. Kaplan Van Heiden nimmt als Vertreter des Pfarrers daran teil.

17. Juni

Die NSDAP beschlagnahmt das der Kirche gehörende „Riese-Haus“ in der Kirchhellener Allee Nr. 10.

20. Juni

Beginn der Verbote bzw. Selbstauflösung der Parteien.

1. Juli

Der Holsterhausener evangelische Pfarrer Artur Paeschke wird nach Karow, Regierungs­bezirk Sachsen versetzt. Paeschke, der sich offen zum Nationalsozialismus bekannte und Parteiredner war, wurde am 27. Fe­bruar 1927 mit 18 von 19 Stimmen zum Pfar­rer von Holsterhausen gewählt. Am 24. Ja­nuar 1934 wird Ernst Krüsmann als Pfarrer der Kirchengemeinde gewählt.

5. Juli

Selbstauflösung der Dorstener Zentrums­partei.

20. Juli

Unterzeichnung des Reichskonkordats durch den Kardinal-Staatssekretär Pacelli und Vizekanzler Franz von Papen. Pfarrer Heming schreibt in seiner Chronik: „Hof­fentlich erfüllt es alle Hoffnungen, die wir Katholiken von ihm erwarten.“

24. Juli

Der deutsche Episkopat bedankt sich beim Reichskanzler Adolf Hitler für den Ab­schluss des Reichskonkordats. Kardinal Erzbischof Bertram (Breslau) dankte im Namen der Fuldaer Bischofskonferenz „für die Be­kämpfung der Gottlosigkeit und Unsittlichkeit. bewunderte den staatsmännischen Weitblick…“ (Chronik St. Agatha).

7. August

Angehörigen der Reichswehr wird die Heirat mit Nichtarierinnen verboten.

11. September

Der Pfarrer von St. Lamberti (Münster) wird von Papst Pius XI. zum neuen Bischof von Münster ernannt: Clemens August Graf von Galen.

18. September

Der katholische St. Agatha-Pfarrer nimmt erstmalig an einer NSDAP-Versammlung teil: Im Hotel „Schwarzer Adler“ wird die Handwerkerwoche vorbereitet, zu welcher der Pfarrer bei der Eröffnung ein Hochamt ab­halten soll. Er notiert in seiner Chronik: „Alles gut verlaufen!“

27. September

Wehrkreispfarrer L. Müller (NS-Glaubensbewegung) wird Reichsbischof. Beginn des Kirchenkampfes.

1. Oktober

Der Agatha-Küster Stewing verpasst den rechten Augenblick, beim Erntedankfest die Glocken zu läuten. Die NSDAP ist deshalb in großer Erregung.

18./19. November

450. Geburtstag Martin Luthers mit Fackel­zug am Marktplatz und Festgottesdienst in der evangelischen Kirche. Die Kirchen und Straßen der Stadt sind beflaggt. Transpa­rente und Luther-Bilder sind auch in Schau­fenstern katholischer Geschäftsinhaber zu sehen. Der katholische Stadtpfarrer regt sich darüber auf.

12. November

(Manipulierte) Reichstagswahl, verbunden mit der Frage, ob die zum Austritt aus dem Völkerbund führende Politik bejaht werde. 92 Prozent der abgegebenen Stimmen beja­hen Hitlers Politik. Der Reichstag ist fortan nur noch Dekoration.

 1934

Januar

Die evangelische Kirchengemeinde Holster­hausen wählt Ernst Krüsmann zum neuen Pfarrer. Mit ihm blüht das Gemeindeleben wieder auf, denn sein Vorgänger war Parteigänger der NSDAP, von dem berichtet wird, er habe als Altartuch die Hakenkreuzfahne verwendet.

Januar

Empfang der evangelischen Kirchenführer bei Adolf Hitler. Bei der Konferenz, an der auch Reichsbischof Ludwig Müller teil­nimmt, kommen die unterschiedlichen Posi­tionen zur Situation der evangelischen Kir­che in Deutschland zum Ausdruck.

30. März

Karfreitag. Notiz in der Agatha-Chronik: „Heute wird mir vertraulich mitgeteilt, dass die hiesige Ortsgruppe der NSDAP bei der Staatsanwaltschaft Essen eine Anzeige ein­gereicht habe, in der ich beschuldigt wurde, in meiner Schulpredigt das Dritte Reich öf­fentlich herabgesetzt zu haben. (…) Später hörte ich, dass die Anzeige mit der Bemer­kung zurückgekommen sei, es läge kein An­lass vor, gegen den Pfarrer vorzugehen.“

29. bis 31. Mai

Bekenntnissynode der evangelischen Kir­che in Barmen: Es wird eine theologische Erklärung abgegeben, in der dem Reichsbi­schof Müller der Anspruch abgesprochen wird, die rechtmäßige Leitung der Deut­schen Evangelischen Kirche zu sein. – Die Fronleichnamsprozession in Dorsten am 31. Mai hat eine so große Teilnahme wie nie zu­vor. Auch die Feldprozession am 11. Juni hat doppelt so viele Teilnehmer wie ein Jahr zu­vor.

30. Juni

Hitler lässt die Opposition innerhalb der SA ermorden („Röhm-Putsch“). Deswegen fällt sein angekündigter und mit viel Pomp vorbe­reiteter Besuch im Stammlager des FAD Wulfen buchstäblich in letzter Minute aus.

2. August

Reichspräsident Paul von Hindenburg stirbt. Bischof Clemens August verordnet, dass bis zum Beisetzungstag die kirchlichen Verwaltungsgebäude halbmast beflaggt wer­den und in allen Kirchen des Bistums ein Trauergeläute stattfinden soll. Hitler wird „Führer und Reichskanzler“. Die Reichs­wehr wird auf Hitler vereidigt.

19. August

Hitler lässt sich die Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsiden­ten auf seine Person durch eine „Volksbefra­gung“  bestätigen. 89,9 Prozent stimmen mit Ja. In Dorsten gibt es 4.345 Ja-Stimmen. 1.396 Nein-Stimmen und 175 Enthaltungen.

20. August

Großer Fackelzug in Dorsten aus Anlass der Wahl Adolf Hitlers. Dabei werden Vorwürfe gegen das Franziskanerkloster, gegen die Ursulinen und das Krankenhaus erhoben, weil die Patres und Schwestern zum großen Teil mit Nein gestimmt hätten. Die Schwe­stern des Krankenhauses protestierten ge­gen diese Unterstellung.

19. Oktober

2. Bekenntnissynode der evangelischen Kir­che in Berlin. Die Synode protestiert in einer Botschaft an Hitler gegen die Reichskir­chenregierung Müllers. Bekenntnis zum kirchlichen Notrecht.

5. Dezember

Die evangelische Kirchengemeinde Holster­hausen unterstellt sich der „Bekennenden Kirche“. An den Gottesdiensten nehmen von nun an Polizeibeamte und Spitzel teil.

 1935

15.Januar

Großer Fackelzug in Dorsten aus Anlass des Erfolges der Saar-Abstimmung (91 Prozent stimmten für die „Rückkehr der Saar ins Reich“).

18. Februar

Prozess gegen Angehörige der Dorstener Versammlung der Internationalen Bibelfor­scher-Vereinigung: pauschal sechs Wochen Gefängnis wegen verbotener Werbung für die Vereinigung.

17. und 24. März

Kanzelabkündigung der Bekennenden Kir­che wider Abgötterei. Danach werden 715 evangelische Pfarrer der Bekennenden Kir­che verhaftet.

Ostern

Die Vorschule (Grundschule) der Ursulinen wird abgebaut, weil „diese Institution wenig geeignet sei, den Gedanken der Volksge­meinschaft zu fördern“ (National-Zeitung V. 19. 4. 1935).

4. April

Im Kloster der Ursulinen erscheint eine Kommission im Auftrage der Gestapo, um im Zuge der reichsweiten Devisenprozesse gegen Orden und Klöster Untersuchungen anzustellen. Auch die Zellen der Schwestern werden durchsucht. Am 14. September kommen die be schlagnahmten Akten zu­rück mit dem Vermerk „erledigt“.

6. Juni

In Maria I.indenhof werden der Vorsteher der Barmherzigen Brüder sowie zwei andere Brüder wegen des Verdachtes sittlicher Ver­fehlungen verhaftet. Weitere Verhaftungen folgen.

8./9. Juli

In der Nacht werden die Mauern des Fran­ziskaner- und des Ursulinenklosters mit Hetzparolen verschmiert. Die Inschrift an der Mauer des Ursulinenklosters: „2. Gebot: Du sollst keine Devisen schieben.“

16. Juli

Das „Reichsministerium für kirchliche An­gelegenheiten“ wird gebildet.

30. Juli

Pfarrer Heming schreibt an Bürgermeister Dr. Gronover einen Protest gegen das auf den Straßen gesungene Lied: „Stellt die Ju­den, stellt die Pfaffen an die Wand“. Wäh­rend er in seiner Chronik auch die Juden er­wähnt, protestiert er öffentlich aber nur ge­gen den Teil des Liedes, der sich gegen „die Pfaffen“ richtet.

15. September

Das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (Nürnberger Rassegesetze) wird auf dem Reichsparteitag in Nürnberg verkündet.

26. Oktober

Laut Ministerialerlass müssen ab sofort Kir­chen und kirchliche Amtsgebäude an den staatlichen Feiertagen mit den Reichsflaggen geschmückt werden. Als Hitlerjungen aus Anlass des 10. Jahrestages der NSDAP eine zweite Fahne am Turm von St. Agatha flaggen wollten, verbot es der Pfarrer, und es setzte Ohrfeigen.

28. November

Beginn des Prozesses gegen die Barmherzi­gen Brüder von Maria Lindenhof wegen sitt­licher Verfehlungen. Am 12. Verhandlungs­tag wird das Urteil – Freisprüche und Gefängnisstrafen – gesprochen.

 1936

17. bis 22. Februar

Die 4. Bekenntnissynode der evangelischen Kirche in Oynhausen versucht, die staatskirchlichen Fesseln zu sprengen. – Bischof Clemens August trifft am 22. Februar Vorkehrungen für den Fall seiner Verhaftung. Neben Anordnungen zur Weiterführung der Verwaltung befiehlt er sofortiges Trauerge­läut in allen Gemeinden.

16. März

Wegen einer Äußerung über einen Arzt aus Dorsten, der der Ludendorff-Bewegung angehört, wird Pfarrer Ludwig Heming vor den Schiedsmann zitiert und muss 25 Reichsmark Buße zahlen.

28. April

Baugenehmigung für den Kirchenneubau in Lembeck. – Räumung der Krankenanstalt Maria Lindenhof von den verbliebenen Schwachsinnigen und Epileptikern, die in die Provinzialheilanstalt Niedermarsberg verlegt werden.

3. September

Der Bischof entzieht der Dorstener Reli­gionslehrerin Scholaster die Lehrerlaubnis, da sie und ihr Mann – beide NSDAP-Mitglieder – ihren Jungen aus „grundsätzlichen Erwägungen“ nicht mehr am katholischen Unter­richt teilnehmen lassen wollen.

8. September

Ankunft des Bischofs von Münster in Dor­sten. Er bleibt bis zum 16. September. An diesem Tag tritt gegen 18 Uhr der Bischof die Heimreise an. NSDAP-Ortsbauernführer Hofrogge kutschiert den Bischof im Vierer­gespann. Später macht ihm die Partei deswe­gen Vorhaltungen. Er antwortete: „Wenn ihr wollt, könnt ihr mich ruhig rauswerfen (aus der Partei, Anm. d. Verf.). Den Bischof von Münster zu fahren, rechne ich mir zur höch­sten Ehre an!“

 1937

15. Februar

In Berchtesgaden beraten Hitler und Reichskirchenminister Kerrl über die Lage in der evangelischen Kirche. Der Führer be­auftragt Kerrl mit der Vorbereitung von Wahlen für eine Generalsynode.

4. März

Die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ wird veröffentlicht und am 21. März (Palmsonn­tag) von der Agatha-Kanzel verlesen.

18. Mai

Bischof Clemens August trifft in Lembeck ein. Am andern Tag findet die Weihe der Kirche statt.

5. Juni

Berufungsverhandlung im Prozess gegen die Barmherzigen Brüder von Maria Lindenhof in Essen.

6. Juni

Stadtpfarrer Heming verliest dreimal von der Kanzel die am 30. Mai in Münster vom Bischof gehaltene Predigt über die Entwick­lung der religiös-kirchlichen Lage in den vergangenen Monaten. „Die Kirche war immer dicht gefüllt.“

Im Jahre 1937 erreicht die Zahl der Kirchenaustritte in Dorsten den Höhepunkt. Aus der Agatha-Gemeinde sind 402 Perso­nen ausgetreten. Den Großteil von 368 macht die österreichische SA-Truppe aus, die im SA-Lager an der Schleuse unterge­bracht ist. Bereits 1934 hatte die evangelische Altstadt-Gemeinde viele Kirchenaus­tritte zu verzeichnen gehabt. Presbyter sind zurückgetreten, weil sie berufliche Nachteile befürchteten. Auch bekannten sich etliche Gemeindemitglieder zu den „Deutschen Christen“.

 19./20. Juli

Großer Prozess gegen Angehörige der Dorstener Versammlung der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung vor dem Sonderge­richt Dortmund wegen verbotener Werbung für die Vereinigung: mehrmonatige und mehrjährige Gefängnisstrafen.

3. September

Verbot des Religionsunterrichtes durch Geistliche an (Dorstener) Schulen.

Ende September

Die letzten Brüder verlassen Maria Linden­hof. Am 1. Oktober übernimmt der Provinzialverband Westfalen die Gebäude und richtet ein Fürsorgelandesheim ein. Später wird darin ein Lazarett untergebracht.

10. Oktober

Grundsteinlegung der neuen Kirche in Al­tendorf-Ulfkotte.

29. Oktober

Die Gestapo beschlagnahmt den Sportplatz des katholischen Jungmännervereins. Pfar­rer Ludwig Heming lässt in der Nacht den Sportplatz umpflügen.

3. Dezember

Der Bischof entzieht den Dorstener Lehrern Laukemper und Gr. (Agathaschule) wegen unkirchli­cher Äußerungen die kirchliche Lehrbefug­nis. Lehrer Laukemper ist der Adjutant des SA-Sturmhauptführers Weißenberg.

 1938

18. April

Weihe der drei neuen Glocken für die Alten­dorfer Hl.-Kreuz-Kirche. Sie sind eine Stiftung von Bürgern der Gemeinde.

12. März

Einmarsch deutscher Truppen in Österreich (Anschluss).

27. April

Konsekration der Hl.-Kreuz-Kirche in Altendorf-Ulfkotte durch Weihbischof Roleff.

April bis Juni

Auseinandersetzung um den Treueid der evangelischen Pfarrer auf Hitler.

September

Krise in der Bekennenden Kirche wegen der Gebetsliturgie anlässlich der Tschechenkrise.

1. Oktober

Einmarsch deutscher Truppen in das Sude­tenland.

9. November

In der so genannten Reichskristallnacht wer­den jüdische Geschäfte zerstört und Synagogen abgebrannt. Jüdische Bürger werden verhaftet und in Konzentrationslager und Gefängnisse eingeliefert.

1939

20. April

Lt. Erlass sollen die Privatschulen des Rei­ches in öffentliche Schulen umgewandelt werden.

24. Mai

Im Ursulinenkloster erscheint Oberschulrat Passe vom Provinzialschulkollegium in Münster mit einer Kommission. Das Schul­gebäude wird auf seine Verwendungsmög­lichkeit bei einer Umwandlung in eine öf­fentliche Anstalt geprüft.

15. Juni

Erstmals wird staatlicherseits das Fronleich­namsfest nicht mehr als Feiertag anerkannt. Die Kinder der Volk- und höheren Schulen müssen zum Unterricht, die Beamten zum Dienst.

1. September

Beginn des Angriffskrieges gegen Polen, der zum zweiten Weltkrieg führt. In der Agatha-Chronik steht zu lesen: „Die letzten Augusttage waren voll unerhörter politischer Spannung, immer dichteres Gewölk zog sich am politischen Horizont zusammen, bis am 1. September frühmorgens der Krieg mit Polen begann. Bald folgte die Kriegserklärung Englands und Frankreichs. Während 1914 bei Kriegsausbruch die Kirchen gefüllt und Beichtstühle und Kommunionbänke umla­gert waren, war jetzt nichts Derartiges zu bemerken. Wohl fanden sich manche, die zu den Waffen gerufen wurden, ein, um ihre Rechnung mit dem Herrgott in Ordnung zu machen. Im Ganzen aber hatte das politische Geschehen ein schwaches religiöses Echo.“

28. September

Mater Petra Brüning OSU teilt dem Konvent mit, dass die Ursulinenschulen Ostern 1940 aufgrund staatlicher Anordnung geschlossen werden.

1940

27. Mai

Tod Pfarrer Hemings. Er wird am 30. Mai bestattet. Kaplan Schneider wird Pfarrverwalter.

14. August

Einzug des neuen Agatha-Pfarrers in Dor­sten: Pfarrer Franz Westhoff aus Recklinghausen (Grullbad).

19. September

Der evangelische Landesbischof Wurm pro­testiert in einem Schreiben an Innenminister Frick gegen das Euthanasie-Programm »Ak­tion T-4«.

6. Dezember

Die Gestapo beschlagnahmt die Borromäusbibliothek. „Katholische“ Bücher darf die Kir­che behalten. Alle anderen, etwa 2.000 Stück, werden sichergestellt. Im Oktober 1944 werden sie in einem offenen Lastwagen von gefangenen Russen in Säcken fortge­schafft. Die Russen verteilen dabei Bücher an herumstehende Kinder.

8. Dezember

Die Ursulinen erhalten die behördliche Ver­fügung, dass die Mittelschule Ostern 1940 aufgehoben wird. Eine Kommission ordnet die Bestandsaufnahme des gesamten Inven­tars an und verhandelt über Miet- bzw. Kaufpreis des Hauses.

1941

21. Juni

Der evangelische Pfarrer von Holsterhau­sen, Krüsmann wird zum Kriegsdienst einge­zogen. Die Gottesdienste halten jetzt Pfar­rer Mayweg aus Hervest und  Vikarin Wäch­ter aus Dorsten.

2. Juli

Die Ursulinen erhalten die offizielle Mittei­lung von der Verstaatlichung der Oberschule zu Beginn des neuen Schuljahres 1941/42. Die Mittelschule wird abgebaut und dem protestantischen Leiter A. Rüter unterstellt. Die Mittelschule wird abgebaut und dem protestantischen Leiter A. Rüter unterstellt.

13. Juli

Erste Brandpredigt von Bischof Clemens August zum „Klostersturm“: Die Gestapo löst ein Kloster nach dem anderen auf und zwingt die Ordensleute, ihr Haus, die Stadt und die Provinz innerhalb weniger Stunden zu verlassen.

14. Juli

Mündliche Nachricht durch einen Beauf­tragten des Reichsleiters der SS, dass die Ausweisung der Schwestern von St. Ursula in Kürze zu erwarten sei.

16. Juli

Letzter Schultag für die Schülerinnen der Ursulinen-Oberschule.

18. Juli

Verfügung über die Auflösung des Konvents der Ursulinen und über die Beschlagnahme des Hauses durch die Gestapo. Verhandlun­gen zwischen der Oberin M. Petra Brüning und dem Oberst von Bevernförde über die Beschlagnahme des Hauses durch die Wehr­macht zur Einrichtung eines Lazaretts. Die Wehrmacht kommt der Gestapo zuvor und rettet so die Schwestern vor der Vertreibung.

20. Juli

Zweite Brandpredigt des Bischofs mit dem Aufruf zum Widerstehen durch Bereitschaft zum Durchhalten: „Wir sind nicht Hammer, sondern Amboss!“

3. August

Dritte Brandpredigt des Bischofs von Mün­ster gegen die Euthanasie.

Im September

Das Ursulinenkloster (Oberschule und Teile des Internats) wird als Lazarett für Amputierte eingerichtet.

15. September

In Dorsten wie im gesamten Reichsgebiet müssen alle Juden, angefangen vom Kind ab 6 Jahren, in der Öffentlichkeit den gelben Judenstern tragen. – Eröffnung der Staatlichen Oberschule für Mädchen im Petrinum an der Bochumer Straße (Schichtunterricht) durch die kom­missarisch eingesetzte Direktorin und Par­teigenossin Dr. phil. Franziska Radke. Vier Schwestern dürfen wegen des Lehrerman­gels in Latein, Englisch, Kunst und Handar­beit vorübergehend noch an der neuen Schule mit einigen Stunden als „Hilfskräfte“ unterrichten.

19. September

Alle Juden im Reich müssen den gelben Ju­denstern tragen.

1942

8. Januar

Abnahme der Glocken von Hl.-Kreuz in Al­tendorf-Ulfkotte. „Zum großen Schmerz der Eingesessenen», aber der Krieg verlangt es.“

19. Januar

Kaplan Schneider wird Pfarrrektor in Lint­fort (Kreis Moers), sein Nachfolger in Dor­sten wird Kaplan Kerkhoff.

20. Januar

Die Endlösung der Judenfrage wird befoh­len (Wannsee-Konferenz). Die Juden im Reich und in dem von Deutschen besetzten Europa sollen getötet werden.

26. Januar

Die in Dorsten verbliebenen jüdischen Mit­bürger werden in das Getto von Riga depor­tiert. Nur einer überlebt: Ernst Metzger (siehe auch Bericht über seinen Besuch in Dorsten im Jahre 1983).

13. August

Konsekration der Herz-Jesu-Kirche in Deu­ten durch den Bischof von Münster.

13. November

Der Altar von St. Agatha wird in den Turm eingemauert, um vor Bombengefahr ge­schützt zu sein.

1943

10. August

Der geistliche Studienrat Laurenz Schmedding wird in Münster verhaftet und später in das KZ Dachau gebracht.

24. September

Der Dorstener Bibelforscher Artur Kramm wird wegen Verweigerung der Eidesleistung (Kriegsdienst) in Halle an der Saale auf­grund des Urteils des Reichskriegsgerichtes Berlin mit dem Fallbeil hingerichtet.

21. November

Die Gedenkfeier für die Gefallenen wird in der Messe abgehalten. Pfarrer Westhoff no­tiert dazu: „Nur die Namen der in diesem Jahr Gefallenen können noch verlesen wer­den, da es sonst zu viele sein würden. Die Er­wähnung der Namen am heiligen Ort, in hei­liger Stunde, ist altchristliche Sitte.“

1944

20. Juli

Attentat durch Oberst Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler. Hitler überlebt. Es setzt eine Verfolgung der Opposition aller politischen Kreise ein.

Im September

Das im Ursulinenkloster untergebrachte La­zarett wird wegen der Frontnähe zum Kriegslazarett. Der größte Teil der bisheri­gen Lazarett-Insassen wird verlegt.

9. November

Die Agathakirche wird durch den Nieder­gang einer Luftmine in der Nähe des Bahn­hofs und der evangelischen Kirche stark be­schädigt. Wegen der Zerstörung der Fenster kann keine Messe mehr gehalten werden. Die Frühmesse wird fortan in St. Ursula ab­gehalten. Auch die evangelische Stadtkirche wird zer­stört. Die Kirchengemeinde verlegt daher ihren Gottesdienst und die Konfirmanden­stunden in die Kaplanei von St. Agatha: „Wir geben ihr gerne Obdach.“

1945

22. März

Bombardierung der Stadt. Zerstörungsgrad der Kirchen in Prozentzahlen: Pfarrkirche St. Agatha (100), Evangelische Kirche Dor­sten (35), Franziskanerkirche (100). Ursulinenkirche (100), Siechenkapelle (100), Krankenhauskapelle (30), St. Marien (5), St. Josef (10), St. Paulus (15), evangelische Kirche Hervest (95), Bonifatiuskirche (25). Antoniuskirche (0), evangelische Kirche Holsterhausen (0), Apostolische Gemeinde Hervest (15), Apostolische Gemeinde Holsterhau­sen (70), Synagoge Dorsten (100); sonstige: Kolpinghaus (100), Ursulinenkloster (65), Franziskanerkloster (95), Maria Lindenhof (40).

24. März

Große Offensive der Alliierten am Niederrhein. Rhade wird von Amerikanern besetzt, zwei Tote.

28. März

Einmarsch der Amerikaner. 30. April. – Hitler und seine Frau Eva (Braun) begehen Selbstmord im Bunker der Reichskanzlei. Der später in Wulfen als Unternehmer in der Hundefutter-Branche tätige damalige Feld­webel Tornow ist Augenzeuge. Tornow rich­tete Hitlers Hunde ab. An diesem denkwür­digen Tag muss er sämtliche Hunde Hitlers mit einer Giftampulle töten. Hitler über­zeugt sich von der Wirkung.

29. März

Amerikanische Panzer rücken um fünf Uhr morgens in Dorsten ein. 29 deutsche Soldaten und fünf Zivilisten verlieren ihr Leben. Theodor Artmann wird zum Stadtbürgermeister ernannt.

1. April

Wehrmacht und Volkssturm legen im Kreis Recklinghausen die Waffen nieder.

2. April

Der Sender „Werwolf“ fordert deutschen Widerstand bis zum Letzten.

8. Mai

Deutschland kapituliert bedingungslos. Zwölf Jahre nationalsozialistischer Diktatur sind zu Ende.

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