Fritz Tornow vergiftete im April 1945 Hitlers Hund „Blondi“ im Führerbunker. In Hervest-Dorsten produzierte er in den 1960er- und 70er-Jahren Hundefutter

Links: Hitlers vergiftete Hündin „Blondi“ (Foto: Der Spiegel); rechts: Waschraum im Führerbunker heute (Foto: Sammlung Harry von Gebhardt)

Von Wolf Stegemann

Die so genannte Tierliebe hat schon so viel Unheil angerichtet, dass wir, wenn wir tatsächlich mit der größtmöglichen Intensität daran denken würden, augenblicklich ausgelöscht werden müssten vor Erschrecken. Es ist nicht so absurd, wie es zunächst erscheint, wenn ich sage, die Welt verdankt ihre fürchterlichsten Kriege der so genannten Tierliebe ihrer Beherrscher. Das ist alles dokumentiert, und man sollte sich diese Tatsache einmal klarmachen. Diese Leute, Politiker, Diktatoren, sind von einem Hund beherrscht und stürzen dadurch Millionen Menschen ins Unglück und ins Verderben, sie lieben einen Hund und zetteln einen Weltkrieg an, in welchem Millionen getötet werden wegen dieses einen Hundes“ (Thomas Bernhard in „Beton“).

Fritz Tormow war Feldwebel der Wehrmacht, Hitlers Hundebetreuer und nach dem Krieg Hundefitter-Fabrikant in Dorsten und Gelsenkirchen. – Mit Adolf Hitler verband ihn dessen Schäferhündin Blondi, für die er als Hundeführer zuständig war, auf dem Berghof am Obersalzberg in Berchtesgaden genauso wie in den verschiedenen Führerhauptquartieren und zuletzt im Bunker unter der Reichskanzlei in Berlin, wo er wenige Stunden vor Hitlers Selbstmord am 30. April 1945 dessen Schäferhund Blondi, Eva Hitlers Hunde und seinen eigenen töten musste.

Von Fritz Tornow bewohnt: der Pailinenhof in der Orthöve in Hervest-Dorsten

Nach dem Krieg hatte Paul-Fritz Tornow, der sich nach 1945 anstatt Fritz Paul nannte, zunächst in Gelsenkirchen gewohnt, wo er eine Hundepension betrieb und mit der Herstellung von Hundefutter begann.  In den 1960er-Jahren bis Mitte der 1976er-Jahre bewohnte Fritz Tornow den Paulinenhof in Hervest, der zuvor von dem Kultur-Journalisten Albert Schulze Vellinghausen bewohnt war, und produzierte dort Hundefutter. 1976 verkaufte er die Hundefutterproduktion im Paulinenhof an Mitgesellschafter. Das Unternehmen Paul Tornow existierte bis 2018 in Gelsenkirchen. Fritz Tornow lebte noch einige Jahre bei seiner Lebensgefährtin in Dorsten-Wulfen, mit der er zusammen eine Tochter, Katja, hatte. Anfang der 1980er-Jahre zog er dann in die Nähe von Ibbenbüren. In den 1990er-Jahren verzog er in ein Altenheim nach Gelsenkirchen, wo er Ende der 90er-Jahre verstarb. Über seine Tätigkeit als Hundeführer Adolf Hitlers sprach er gerne mit seinen Kunden und Mitarbeitern.

Hitler zu seinem Feldwebel: „Tornow, kommen Sie!“

Als einer der Letzten in Hitlers Führerbunker unter der Reichskanzlei erlangte Tornow internationale Berühmtheit erst, als andere Überlebende der letzten Tage, wie Hitlers Sekretärin Traudel Junge oder sein Telefonist Rochus Misch ihre Memoiren veröffentlichten. Auch in dem 2004 nach Junges Erinnerungen gedrehten Spielfilm „Der Untergang“ kommt die Szene mit Fritz Tornow vor, als Hitler zu ihm sagt, um den Hund zu vergiften: „Tornow, kommen Sie!“ Hitler hatte sich von dem SS-Arzt Ludwig Stumpfegger Giftkapsel für seinen und seiner zuletzt ihn noch angetrauten Frau Eva Braun vorgesehenen Freitod besorgt, deren Wirkung er an seiner geliebten Hündin „Blondi“ testen wollte. Hitler sah zu, wie seine Hündin verendete. Dann befahl er Tornow, auch die Welpen und die anderen Hunde zu erschießen bzw. mit der Giftspritze zu töten. Joachim Fest beschreibt die Situation in seinem Buch „Der Untergang“:

Darauf habe Hitler seinem Hundeführer, Feldwebel Fritz Tornow, den Befehl erteilt, die Schäferhündin Blondi zu vergiften. Das Tier dürfe nicht den Russen in die Hände fallen, sagte er, der bloße Gedanke daran mache ihn krank. Noch wichtiger war ihm offenbar, die Wirkung der Blausäure zu erproben, die in den vergangenen Wochen reihum verteilt worden war. Seit dem Verrat Himmlers war er nicht mehr sicher, dass das von der SS beschaffte Gift mit der Plötzlichkeit, auf die es ihm ankam, den Tod herbeiführte. Doch als Tornow die Ampulle mit der Zange über dem aufgesperrten Rachen des Hundes zerdrückte, fiel das Tier wie vom Blitz getroffen’ zur Seite. Kurz darauf kam Hitler, wie einer der Augenzeugen berichtet hat, zum Bunkerausgang, um  „von dem Hund Abschied“ zu nehmen. Bei der Rückkehr in den Tiefbunker, wird von anderer Seite versichert, habe er „wie seine eigene Totenmaske“ ausgesehen und sich „wortlos in sein Zimmer eingeschlossen“. Unterdessen erschoss Tornow oben, nahe dem Gartenausgang, auch die fünf Welpen.

Tornow mit „Blondi“ Winniza, Sept.  1942

Hitlers „Blondi“ in Winniza, Sept. 1942

Tornow musste den Goebbels-Kindern die Welpen wegnehmen

Die Welpen musste Tornow den Kindern des Ehepaars Goebbels wegnehmen, die mit ihnen spielten. Einer der Wachsoldaten nahm sich einen der Welpen und gab ihm im angetrunkenen Zustand den Namen „Cognac“. Tornow hatte auch Eva Hitlers zwei Hunde zu töten und gab dann seinem eigenen Hund, einem Dackel, die Giftspritze. Rochus Misch, Hitlers SS-Leibwächter und Telefonist, war ebenfalls Augenzeuge der letzten Tage im Führerfunker. Er schreibt in seinem 2007 erschienenen Erinnerungen „Der letzte Zeuge. Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter“ die Szene:

„Kurz darauf beobachtete ich, wie Professor Werner Haase, seit 1935 Begleitarzt, leise im Vorraum mit Hitler sprach. Dazu kam der SS-Arzt Prof. Dr. Stumpfegger. Haase war normalerweise im Lazarett unter der Reichskanzlei damit beschäftigt, Verwundete zu operieren. Er und Hitler traten schließlich in den Flur und blieben vor meiner Zentrale stehen. Feldwebel Fritz Tornow führte in diesem Moment Blondi herein. Haase und Tornow verschwanden daraufhin mit der Hündin im Waschraum, der keine drei Meter von meinem Arbeitsplatz entfernt war. Die Tür blieb offen, ich schielte herüber. Tornow hielt Blondi die Schnauze auf, und Haase schob ihr eine Zange ins Maul und zerdrückte damit einen in ihr festgeklemmten kleinen Gegenstand. Es gab ein knackendes Geräusch, und Blondi sackte augenblicklich zusammen. Hitler trat wenige Schritte vor, hielt einige Sekunden inne. Danach wandte er sich schweigend um und verschwand in seinem Zimmer. Es roch nach Bittermandeln. Die erst Anfang April geworfenen fünf Welpen von Blondi erschoss Tornow oben im Garten, nachdem das tote Muttertier weggeschafft war. Ich war mir sicher: Wenn Hitler sich entschlossen hatte, seinen Liebling umzubringen, dann würde es nicht lange dauern, bis er ihm in den Tod folgte.“

Hitlers Krankenschwester Erna Flegel gab nach ihrer Festnahme zu Protokoll, der Tod der Hündin Blondi habe die Menschen im Bunker „mehr erschüttert als der Tod Eva Brauns“. Am 2. Mai 1945 besetzten die Rotarmisten die Reichskanzlei und den Führerbunker. Fritz Tornow ergab sich den russischen Soldaten zusammen mit der im Bunker bis dahin noch verbliebenen Erna Flegel, dem Elektrotechniker Johannes Henschel und dem SS-Arzt Prof. Werner Haase. Die Sowjets brachten Tornow in die Sowjetunion. Im Moskauer Gefängnis Lubjanka wurde er verhört und gefoltert und Mitte der 1950er-Jahre in den Westen entlassen.

Hitlers Schäferhündin „Blondi“ 1944

In den USA gibt viele tausend Seiten über Blondi und Feldwebel Tornow

Wer durch die US-amerikanischen Websites mit dem Suchbegriff „Fritz Tornow“ surft, wird erstaunt sein, wie viele sich für Hitlers Hündin „Blondi“ und seinem „Hundeführer“ Tornow interessieren. Es gibt darüber tausend und abertausend Seiten mit Diskussionsbeiträgen: beispielsweise wie lange die Beine von „Blondi“ gewesen waren und ob die Ohren den richtigen Wuchs hatten. Über Tornow werden keine Fakten mitgeteilt, nur irrwitzige Mutmaßungen. Da wird er mal als Hitlers Tierarzt bezeichnet, mal als Hitlers Apotheker, der den Heldentod starb, dann wieder von den Russen in Moskau ermordet wurde und andere teilen mit, dass er sich nach Südamerika absetzen konnte.

 

Tornow schrie betrunken: „Der Führer ist gestorben, rette sich wer kann!“

Der sowjetische Autor L. A. Besymenki schilderte in der ZEIT Nr. 31/1968 an Hand von Obduktionsbefunden das Ableben von Hitler und seiner Frau sowie anderen Personen auch das von Hitlers Hund „Blondi“. Besymenki gehörte dem Stab des Sowjetmarschalls G. K. Shukow an.

Die zwei Hundeleichen, die man aus dem Trichter im Garten der Reichskanzlei herausgeholt hatte, schienen zunächst nicht besonders interessant zu sein. Der eine Kadaver war ein großer deutscher Schäferhund. Auf der Schleimhaut der Zunge wurden „zwei Splitter einer dünnwandigen Glasampulle“ entdeckt, die Analyse ergab Zyanverbindungen. Verletzungen wurden nicht festgestellt. Die andere Leiche – ein kleinerer, schwarzer Hund – hatte einen Kopfdurchschuss. „Fremdkörper wurden im Maul nicht gefunden“, heißt es im Protokoll. Die chemische Untersuchung ergab dennoch das „Vorhandensein von Zyanverbindungen“. Befund? „Die Todesursachen sind eine Vergiftung durch Zyanverbindungen und eine tödliche Kopfverletzung mit wesentlicher Zerstörung der Gehirnsubstanz.“

Als ich einen der berühmtesten sowjetischen Gerichtsärzte, Professor Dr. Wladimir Michajlowitsch Smoljaninow, fragte, was diese Auskunft besage, antwortete der Professor: „Wissen Sie, das sieht einer so genannten ‚Toxikologischen Probe’ sehr ähnlich. Dem einen Hund hat man eine Ampulle im Maul zerdrückt, der andere Hund musste die Ampulle verschlucken und wurde dann erschossen – mit einem Schuss von oben, wie aus dem Protokoll ersichtlich ist.“

Professor Smoljaninows Deutung wird bestätigt durch die Erinnerungen Otto Günsches Hitlers SS-Adjutant): „In einem Gang des Führerbunkers standen Professor Haase (Werner Haase, zeitweilig Vertreter von Hitlers Leibarzt, Professor Brandt) und Feldwebel Tornow, der Hitlers Hund abgerichtet hatte. Haase hielt eine Ampulle mit Zyankali und eine Zange in der Hand. Er hatte von Hitler den Befehl erhalten, den Hund ‚Blondi‘ zu vergiften. An ‚Blondi‘ wollte Hitler die Wirkung des Giftes erproben. Um Mitternacht wurde ‚Blondi‘ auf der Toilette vergiftet. Tornow riss dem Hund das Maul auf, und Haase griff hinein und zerdrückte mit der Zange die Giftampulle. Das Gift wirkte auf der Stelle; bald darauf kam Hitler in die Toilette, um sich zu überzeugen, dass ‚Blondi‘ tatsächlich vergiftet war. Er sagte kein Wort, sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Nach einer Minute schon kehrte er in sein Arbeitszimmer zurück.“

Der im Protokoll zuerst erwähnte Hund war Hitlers Lieblingshund „Blondi“. Der kleinere Hund war allem Anschein nach „Wolf“, ein Sohn von „Blondi“. Über seine Tötung berichtet Günsche folgendes: „Feldwebel Tornow, Hitlers Hundewärter, war völlig betrunken, rannte im Bunker der Neuen Reichskanzlei herum und schrie: ‚Der Führer ist gestorben, rette sich, wer kann!‘ Unter den Insassen des Bunkers, besonders unter den Verwundeten, entstand eine Panik. Es stellte sich heraus, dass Tornow zuvor die Welpen von ‚Blondi‘, darunter auch ‚Wolf‘, die Hunde von Eva Braun und von Frau Christian (Hitlers Sekretärin) und auch seinen eigenen Hund eigenhändig erschossen hatte.“

Zur Sache – Der Führerbunker. Unter der Neuen Reichskanzlei ließ sich Hitler 16 Meter unter der Erde einen Bunker bauen, der durch Treppen im Gebäude und vom Garten aus erreichbar war. Dieser Führerbunker mit Wohn-, Personal- und Bürotrakt war durch eine 2,80 Meter dicke Betondecke und doppelte Panzertüren geschützt. Er diente in den letzten Kriegswochen als Wohnung Hitlers und der Familie Goebbels, verfügte über alle nötigen medizinischen Einrichtungen und war letzte Befehlszentrale des Reiches. Hier heiratete Hitler am 29. April Eva Braun und nahm sich mit ihr das Leben.

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Quellen/Literatur: Bulloch „A. Hitler. Study in Tyranny“, Penguin Books 1962. – „Die Zeit“ Nr. 31/1968 „So starb Hitler“ (Bericht von L. A. Besymenki). –  Armin D. Lehmann „In Hitler’s Bunker: A Boy Soldier’s. Augenzeugenbericht. Last Days des Führers“. – Joachim Fest „Der Untergang“, Fest 2001. – Traudl Junge „Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben“, Clasen, 2002. – Verfilmung „Der Untergang“ von Bernd Eichinger und Oliver Hirschbiegel, 2004. – „Hitlers nurse breaks 60 years of silence“ in „The Guardian“, London, vom 2. Mai 2005. – Rochus Misch „Der letzte Zeuge. Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter“, 2007. – Peter Tillmann, Gelsenkirchen (Sohn des Teilhabers der Paul Tornow- Futtermittelfabrik), Gelsenkirchen 2019.
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2 Kommentare zu Fritz Tornow vergiftete im April 1945 Hitlers Hund „Blondi“ im Führerbunker. In Hervest-Dorsten produzierte er in den 1960er- und 70er-Jahren Hundefutter

  1. Peter D Orr sagt:

    Wenn „Fritz“ Tornow 1924 geboren wäre, wäre er zum Zeitpunkt des gezeigten Bildes (datiert 1942) 18 Jahre alt gewesen. Der Mann auf diesen Bildern ist eindeutig nicht 18 Jahre alt.
    Anmerkungder Redaktion: Das stimmt; Fehler behoben!

  2. Danke für den sachlichen Bericht!

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