So erlebte Friedrich-Wilhelm Koepe das Kriegsende 1945 – Hochzeitsfeier endete im Gefangenenlager

„Meine Hochzeitsreise, die ich al­lein antreten musste, führ­te mich ins Gefangenenla­ger.“ So erinnerte sich Friedrich-Wilhelm Koepe (1916 bis 2004) im Gespräch mit dem Redaktionsleiter der Dorstener „Ruhr-Nachrichten“, Rudolf Plümpe, 1995 an das Kriegsende 1945.

Eigentlich hatte der Rittmeister und Panzerkommandant Friedrich-Wilhelm Koepe die Militär- und Kriegszeit schon beendet gehabt, denn er war Ende 1944 – wegen einer schweren Ver­letzung nicht mehr kriegsverwendungsfähig – von der Westfront zum Heimatstand­ort des Kavallerieregimentes 15 nach Paderborn zurück­kommandiert worden. Dort bekam er bis zur endgültigen Entlassung Urlaub und begab sich nach Salzkotten, dem Wohnort seiner damaligen Braut und späteren Ehefrau Julia. In deren engstem Verwandtenkreis wurde geheiratet. Eingeladen waren noch einige Regimentskameraden.

Friedrich-Wilhelm Koepe

Ins Gefangenenlager am Atlantik verbracht

Angesichts des bevorste­henden Kriegsendes blickte das junge Ehepaar hoff­nungsvoll in die Zukunft, aber dann kamen die Ameri­kaner. Alle Männer mussten sich bei der Kommandantur melden; auch Koepe, obwohl er so gut wie aus der Wehr­macht entlassen war. Er wur­de in ein riesiges Lager an der französischen Atlantik­küste gebracht, das die Ame­rikaner eingerichtet hatten, um Kriegsgefangene in die USA zu transportieren.

Hier entstand in Gemein­schaftsarbeit ein kleines Buch über das Leben und Leiden des PW (prisoner of war = Kriegsgefangener), das später in Koepes Eigentum überging, weil er als Nichtraucher dafür im Tausch Zigaretten anbie­ten konnte.

Buch auf braunem Verpackungspapier von Peter Großkreuz illustriert

Das kleine Buch im qua­dratischen Format, von einem Mitgefangenen, dem Berliner Karikaturisten Peter Groß­kreuz sehr schön illustriert, ist schon vom Äußeren her bemerkenswert, ein Doku­ment aus der Nachkriegszeit. Die eng in Schönschrift beschriebenen Seiten bestehen aus gelb-braunem Papier von Verpackungstüten, und um Tinte zu bekommen, wurden Kopierstifte in Wasser aufge­löst.

Inhaltlich wird in wohl ge­reimten Versen zunächst un­ter dem Aspekt Gefangenschaft ein Streifzug durch die Weltgeschichte unternom­men, angefangen von dem durch Göttervater Zeus an ei­nen Felsen geschmiedeten Prometheus und Antonius in den Liebesfesseln der Kleopatra über Indianer am Mar­terpfahl und Missionare, die von Kannibalen verspeist werden, bis zu den Kriegsge­fangenen des Zweiten Weltkriegs. Hier eine Leseprobe über die Strapazen ei­nes PW:

„Wieso es kam, dass uns die Feinde fingen, um uns in dieses Camp zu bringen, ist heute kaum noch zu er­hellen und auch nicht richtig festzustellen. Wie so die Din­ge manchmal liefen, man hör­te, dass sie „hands up“ riefen. Wenn es keine Möglichkeit zum Fliehen oder zur Verteidigung gab, dann hob man schließlich doch die Hände. Nach weni­gen Augenblicken schon sah man, dass die „Genfer Konvention“ meist nur auf Papier ge­schrieben steht. Mit Fußtritten und mit Kolbenhieben trieb man den abgekämpften Haufen im Laufschritt. Die Preciosen und die Uhren verschwanden plötz­lich ohne Spuren.“ Oder eine andere Stelle über den ständigen Hunger: „Ein Quell der Sorge und des Kummers, der Alpdruck jedes ruhigen Schlummers, das ist die ewig neue Frage: was es­sen wir am nächsten Tage? Den Blick gesenkt.“

Wie sich das trostlose La­gerleben auch auf die Psyche auswirkte, zeigt diese Stelle:

„So lebt der PW ohne Stunden, zieht wesenlos die Lagerrun­den nach links, nach rechts, gerade, krumm, sein Leben läuft im Kreis herum. Die Hände hat er tief vergraben, so siehst du ihn geduldig tra­ben. Den Blick zu Boden tief gesenkt, ob ihm vielleicht der Weg was schenkt? Ein End­chen Draht, ein Stückchen Glas? Und Nägel? Er sucht immer was.“

Am 15. September 1945 entlassen, sah der Dorstener die Heimatstadt wie­der. Sein Betrieb war durch Bomben zerstört, so dass er auch hier wieder bei Null an­fangen musste.

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