Günther Graf von Stosch – Als Polizeichef wurde 1949 dem NS-Regierungspräsidenten der Prozess gemacht

Von Wolf Stegemann

1893 in Altkessel (Kreis Grünberg/Niederschlesien) bis 1955 in Essen; Regierungspräsident und Staatspolizei-Chef. – Dr. Stosch trat Ende Januar 1941 der SA bei und stieg im November 1942 zum SA-Obersturmbannführer auf.

Dr. jur. Günter Graf von Stosch

Aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Leiter der Staatspolizeistelle Recklinghausen, die auch für Dorsten zuständig war,  wurde er von der britischen Besatzungsmacht wenig später verhaftet und bis 1948 im Lager Recklinghausen interniert. Ein gegen ihn 1949 eingeleitetes Strafverfahren vor dem Schwurgericht Bochum hinsichtlich Vergehen während seiner Zeit als Leiter der Staatspolizeistelle endete mit einem Freispruch. Die Anklage gegen ihn lautete auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aussageerpressung mittels Folter und Misshandlungen in 237 Fällen, darunter zwei Selbstmorden nach vorausgegangenen Misshandlungen.

Sein Untergebener, Polizeirat Tenholt (Gestapo), wurde dafür zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Gericht hatte sich im Falle Stosch auf die Position zurückgezogen, dass man es dem Chef nicht zutraute, über „verschärfte Vernehmungsmethoden“, die damals Bestandteil jeder Polizeidienstanweisung waren, über die eingerichteten Folterkeller und Prügelböcke Bescheid gewusst zu haben. Folglich argumentierte Graf von Stosch, dass er machtlos gewesen sei, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Gegen das Regime empfand er schon seit seiner Zeit in Recklinghausen eine starke Abneigung. In seinem Urteil attestierte das Gericht dem Grafen, ein korrekter Beamter gewesen zu sein, der alle Schikanen gegen die Gegner der NSDAP zu verhindern oder wenigstens zu mildern versucht habe. Die Zuhörer im Gerichtssaal klatschten daraufhin laut Beifall. Im Entnazifizierungsverfahren wurde von Stosch schließlich in die Gruppe IV eingestuft.

Die Angeklagten Tenholt (li.) und Graf von Stosch; Skizze des Gerichtszeichners der Westfälischen Nachrichten 1947

Aus alter schlesischer Adelsfamilie

Günther Graf von Stosch stammte aus einer alten Adelsfamilie und war der Sohn eines späteren Generallandschaftsrepräsentanten. Nach der Reifeprüfung auf dem Gymnasium in Wohlau 1912 studierte Stosch Rechts- und Staatswissenschaften in Breslau, diente als Einjährig-Freiwilliger und nahm von 1914 bis 1918 als Reserveoffizier, zuletzt im Range eines Oberleutnants, am Weltkrieg teilt. Dem Referendarexamen 1920 und der Promotion im Jahr darauf folgte 1923 die Assessorprüfung. Er wurde danach dem Polizeipräsidium in Breslau zugewiesen, verließ aber noch im gleichen Jahr den Staatsdienst auf eigenen Wunsch. Bis 1933 war Graf Stosch bei einem Bergwerksunternehmen in Bochum beschäftigt. Mitte April 1933 wurde er als Regierungsassessor wieder in den Staatsdienst übernommen und schloss sich, von 1930 bis 1933 Mitglied des Stahlhelms, 1932 der Deutschnationalen Volkspartei und am 1. Mai 1933 der NSDAP an. Seit diesem Tag war Dr. jur. Günther Graf von Stosch, der Regierungsrat wurde, Leiter der Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Münster in Recklinghausen. Von Anfang März 1935 bis Anfang Dezember 1941 amtierte Stosch als Oberbürgermeister der Stadt Bottrop, ehe er 1942 zum Regierungspräsidenten von Münster berufen wurde. In Münster blieb er gerade einmal ein halbes Jahr. Im  März 1943 wurde Graf Stosch zum kommissarischen Regierungspräsidenten in Minden „abgeordnet“. Das Amt hatte er bis Kriegsende inne.

Von 1950 bis 1954 wohnte der ehemalige münsterische Regierungspräsident in Essen. Hier starb er am 23. März 1955 im Alter von fast 62 Jahren.

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Quellen: Wolf Stegemann „Ein feiner Herr aus gutem Hause – Warum der Recklinghäuser Gestapo-Chef freigesprochen und sein Untergebener verurteilt wurde“ in: „Dorsten nach der Stunde Null, Dorsten 1986, S. 156ff. – Bernd  Haunfelder „Die münsterschen Regierungspräsidenten“, Bezirksregierung Münster, 2006.
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Ein Kommentar zu Günther Graf von Stosch – Als Polizeichef wurde 1949 dem NS-Regierungspräsidenten der Prozess gemacht

  1. Gerhard Seufert sagt:

    Mein Opa wurde 1933 von der Polizei in Recklinghausen eingespart, kam dann ins Amtsgerichtsgefängnis Recklinghausen und dann nach Frankfurt-Preungesheim, wo er schwer misshandelt und umgebracht wurde. Ich habe meinen Opa, geboren 1904, nicht kennengelernt, und konnte auch nichts über ihn erfahren, weil meine Mutter 1969 verstorben ist, da war ich gerade 14 Jahre alt. Mein Opa steht im Opferbuch als August Kraft. Ich könnte eine solche Partei nicht wählen, die nach dem Krieg solche NS-Verbrecher in ihre Partei und in die Politik aufgenommen haben. Ekelhaft. Man hat keine Worte für so etwas. Wenn ich so etwa früher erfahren hätte, wäre ich in die USA ausgewandert

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