W. St. – Ein vollständiger Überblick über die Zahlen der in Dorstener Lagern einquartierten Kriegsgefangenen kann heute nicht mehr gegeben werden. Im Jahre 1943 war die damalige Wehrmachtsauskunftsstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene von Berlin nach Thüringen verlagert worden. Das Material des Referats »Fremdländische Gefangene« war im April 1945 in der Drachenberg-Kaserne in Meiningen untergebracht und wurde dort von amerikanischen Truppen beschlagnahmt. Nach Besichtigung durch eine Kommission alliierter Offiziere wurden die Akten über westalliierte Kriegsgefangene in Kisten verpackt und Ende Mai 1945 abtransportiert.
Am 5. Juli 1945 waren sowjetische Truppen in Meiningen. Diese ließen das sehr umfangreiche Schriftgut über sowjetische Kriegsgefangene ebenfalls verpacken und brachten es Mitte August 1945 in 337 Kisten mit unbekanntem Ziel fort.
Nach den wenigen Unterlagen konnte die »Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht« in Berlin feststellen, dass es in Dorsten zwei eigenständige Kriegsgefangenenlager gegeben hat: Oflag VI/E Dorsten (Lager an der Schleuse) und M-Stalag VI/J Fichtenhain Krefeld mit Zweiglager Dorsten. Bewacht wurden die Lager von Teilen der Landesschützenbataillone 319, 470/XX/VI, 474 und 479. 1941 waren in Dorstener Mannschaftslagern insgesamt 18.565 Kriegsgefangene untergebracht, von denen 17.590 im Arbeitseinsatz standen: 14.263 Franzosen, 6 Engländer, 2.719 Polen, 1.140 Kriegsgefangene aus südosteuropäischen Staaten, 437 Russen.
1942 erhöhte sich die Gesamtzahl auf 23.302, 1943 auf 58.288 (darunter über 23.000 Franzosen, 12.000 Russen und 24.000 Italiener); 1944 waren es noch 35.052 Kriegsgefangene.
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Studie: Mehr als 40.000 Nazi-Zwangslager in Europa
Laut einem Bericht der New York Times haben die Deutschen während des Zweiten Weltkriegs 42.500 Zwangsarbeits- und Gefangenenlager, Konzentrationslager und Ghettos in Europa errichtet. Bislang waren Historiker von rund 7.000 solcher Orte der Nazi-Verbrechen im besetzten Europa ausgegangen. Die Studie zeige auf, wie die Nationalsozialisten ihr Lagernetzwerk von Frankreich bis Russland ausdehnten, schrieb die Zeitung. Die meisten Lager seien in Polen und Deutschland errichtet worden. Bislang sei ihre Existenz nur regional bekannt gewesen. Die Forscher unter der Leitung von Geoffrey Megargee und Martin Dean haben Daten aus etwa 400 Quellen zusammengetragen und ausgewertet. Das gesamte Ausmaß sei nun zum ersten Mal dokumentiert: wo sich die Lager befanden, von wem sie geleitet wurden und mit welchem Ziel sie errichtet wurden. – Der Studie zufolge entstanden die Lager kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933. Allein die Anzahl der Lager – in Berlin seien es 3.000 gewesen, in Hamburg 1.300 – ließe keinen Zweifel daran, dass die Deutschen über deren Existenz informiert waren, sagte der Wissenschaftler Dean der New York Times (ZEIT-Online