Dorstener Sportgeschichte: Trotz NS-Drangsalierung blieben die Sportvereine gegenüber der Partei störrisch

Sport-Reichs-Schwimmfest 1937 in Dorsten; Foto: Archiv Gernoth

Von Jo Gernoth

Nationalsozialismus und Sport in Dorsten: Ein Kapitel für sich, das allerdings für Dorsten ein durchaus gutes Licht auf die Vereine wirft. Trotz aller Gleichschaltungsversuche blieben die Vereine bei sich und die Sportlerfamilie zeigte den Nazis zu vielen kleinen Gelegenheiten den Rücken und leistete zwar keinen direkten, aber indirekten Widerstand.

Gründung des Dorstener Sportrings

Dabei hatten die Nazis mit der Gründung des Dorstener Sportrings einen ersten Versuch unternommen, den Sport an die Kandare zu legen: Faustkämpfer, Fußballer, Handballer, Leichtathleten und Kanusportler waren mit ihren Vorsitzenden in die Gaststätte Beisenbusch befohlen worden. Dort wurde die Gründung des Dorstener Sportrings vollzogen. Es ging bei der in dieser Sitzung vollzogenen Gründung nicht um Sport, sondern um Nazi-Politik: Der Ortsgruppenleiter der NSDAP, Heine, schlug als Sportringführer den Sportreferenten der SA Stadermann vor, der keinem der Dorstener Sportvereine als Mitglied angehörte. Der Ring bestand aus Fachschaften, die dann von Experten geführt wurden, die aus den Dorstener Vereinen stammten.

Selbstständiges Sportleben nicht mehr möglich

Fachschaftsvertreter waren Leute wie der auch nach dem Krieg aktive Gerhard Winter, der die Dorstener Turnerschaft vertrat. Er hatte aber bei den allgewaltigen Machtbefugnissen der NSDAP kaum Befugnis geschweige denn Bedeutung, denn die Schaffung des Sportrings hatte nur ein Ziel: er sollte ein schlagkräftiges Kontrollinstrument der gefährlichen, antisemitischen und allmächtigen Partei werden. Selbstständiges Sportleben war organisatorisch nicht mehr möglich. Die Dorstener Sportvereine konnten nur überleben, wenn sie sich diesen neuen politischen Mechanismen anpassten.

Werbung für Olympia hatte Vorrang

So wurden konkrete Aufgaben und Veränderungen ohne Pardon vorgegeben. Da war Werbung für die Olympischen Spiele 1936 durch Verkauf der dafür vorgesehenen Heftreihe vorgeschrieben. Auch die Werbung für die Wintersportbewegung hatte Priorität. Außerdem wurde die Eingliederung Sportjugend in die Hitlerjugend zwingend vorgeschrieben. Doch auch die Vereine und ihre eigene Organisation wurden von den Nazis nicht in Ruhe gelassen. Ab Anfang 1935 war der Reichssportführer unmittelbarer Vorgesetzter des Dorstener Sports. Der gerade gegründete Sportring wurde in die „Ortsgruppe Dorsten des Deutschen Reichsverbandes für Leibesübungen“ verwandelt. Bereits im Juni 1937 setzte sich die Drangsalierung des Sports fort und es wurden die Ortsgruppen Dorsten und Hervest-Dorsten und so alle Sportvereine Dorstens, Hervest-Dorstens, Holsterhausens, Kirchhellens und der Herrlichkeit Lembeck zur neuen Ortsgruppe Dorsten zusammengefasst.

Sportfeste als Pleite

Mit Gerhard Winter als Vorsitzendem und Erich Heydasch als Geschäftsführer wurden Leute an die Spitze gestellt, die wenigstens aus der Sportbewegung kamen und nicht bloße Parteifunktionäre waren. Wie wirkten sich diese Maßnahmen im Alltag aus? Zwar können sich die sportlichen Veranstaltungen der Nationalsozialisten teilweise durchaus sehen lassen, aber gemessen am organisatorischen Einsatz nahmen sich die Erfolge dieser Zeit eher gering aus. Da war beispielsweise das berühmte städtische Sportfest 1935: Trotz großer Schau und großem Getrommel stimmten die Sportler mit Fernbleiben ab und es waren deutlich weniger Zuschauer und Sportler am Start als vor der Gleichschaltung.
Die Sportfeste gerieten auch 1936 zur Pleite und man dachte in der Parteispitze nach: Mit den Amtsmeisterschaften brachten die Nazis ein Format auf den Weg, das deutlich erfolgreicher war als die Sportfeste. Fußballamtsmeister wurde kurz vor Ausbruch des Weltkrieges Rot-Weiß Dorsten mit 4:0 gegen SuS Hervest-Dorsten.

Eigenständige Strukturen garantierten das Überleben

Insgesamt beklagten die Veranstalter trotz einiger Glanzpunkte aber zu wenig Zuschauerinteresse, zu schlechte Organisation, zu geringe Teilnehmerfelder. Die Bilanz der Gleichschaltungsjahre der NSDAP bis zum Kriegsausbruch konnte für die Partei nicht als Erfolg bezeichnet werden. Es war wohl der ländliche Charakter der Region, der das nationalsozialistische Ziel eines Großvereins verhinderte. Ein Übriges trug die überwiegend katholische Bevölkerung in Dorsten bei, die den ideologischen Grundlagen im Wege stand. Die höchst eigenständigen Strukturen der Sportvereine waren die Garanten des Überlebens. Hurra-Geschrei und Druck durch die Partei auf der einen Seite und die unpolitischen Sportinteressen der Dorstener Sportler: Ein Spannungsfeld, das den Sport zu einer Art retardierendem Moment einer finsteren Epoche geraten ließ. Allerdings hielten der Tod und das Verderben des Krieges auch im Dorstener Sport reichlich blutige Ernte: Der erfolgreiche Leichtathlet Theo Nordmann fiel als hoch dekorierter Flieger, der Fußballer Helmut Hilscher ist bis heute vermisst. Funktionäre aus der braunen Zeit machten nach dem Krieg im Sport weiter. Ein Kapitel, das auf einem anderen Blatt steht.
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Quelle: veröffentlicht am 21. Dezember 2012 in der Dorstener WAZ
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