CDU: Die christliche Verantwortung motivierte zu politischem Engagement – Die Partei fand Rückhalt in der Bevölkerung von Stadt und Land

CDU-Wahlplakat 1946

Von Hiltrud Landua

Die Gründungsmitglieder der CDU in Dor­sten berichten, dass man sich bereits im Au­gust 1945 zusammen fand. Protestanten und Katholiken wollten in Zukunft gemeinsam dafür sorgen, dass christliche Werte das Fun­dament für die Politik bilden. Dieser sehr frühe Termin lässt sich dadurch erklären, dass einige Mitglieder der ersten Stunde beim Volkssturm waren und nach dem Zusammenbruch bei der mühsamen Rückkehr durch ganz Deutschland umher irrten. Die meisten waren Wochen unterwegs und hatten so Gelegenheit, an der überall stattfinden­den Diskussion um die deutsche Zukunft teilzunehmen. Wie anderswo gelangte man zu der Ansicht, dem Zentrum den Rücken zu kehren und eine breite, überkonfessionelle christliche Basis zu schaffen zur Überwindung des alten Parteienzwists. Kirchliche Kreise um den ka­tholischen Pfarrer Westhoff und Pater Ge­rold aus dem Franziskanerkloster unterstütz­ten diese Bestrebungen. In einer Kleinstadt wie Dorsten waren förmliche Verabredun­gen in der Anfangszeit nicht nötig. Man traf sich auf der Straße oder nach dem Gottes­dienst. Diese einfachen Begegnungsmög­lichkeiten gestatteten die rasche Parteigrün­dung im August. Man konnte sofort zur Tat schreiten, als die britische Besatzung Mitte August die Gründung demokratischer Par­teien zuließ. Obgleich in der ersten Zeit keine Aussicht bestand, dass die Parteien zu Trägern politischer Verantwortung würden, konnten sie doch gerade diese Anfangsphase zur Standortbestimmung und zur Er­arbeitung politischer Wert- und Zielvorstel­lungen nutzen.

Christliche Werte für die Zukunft Deutschlands

Parteimitglieder der ersten Stunde berichten von einer allgemeinen Aufbruchstimmung. Inmitten der Trümmer war der Frühling des Neubeginns zu spüren. Man war erleichtert, den Naziterror und die Schrecken des Krie­ges heil überstanden zu haben, und war ernsthaft gewillt, eine bessere, demokrati­sche Zukunft zu bauen. Gerade christliches Verantwortungsbewusstsein motivierte zum politischen Engagement. Christliche Werte sollten den Weg in eine hoffnungsvollere Zu­kunft zeigen, nachdem der Zusammenbruch die Unhaltbarkeit der nationalsozialisti­schen Ideologie überdeutlich offenbart hatte. Menschen, die während des Faschis­mus ihre politische Überzeugung verschwie­gen hatten, wollten angesichts der grausa­men Verbrechen nicht länger beiseite ste­hen. Denn Schweigen und Nichtwahrhabenwollen hatten sie mitschuldig werden lassen. Diese Schuld wollten sie abtragen durch den persönlichen Einsatz für eine christliche Ge­staltung des Lebens. Die Rückbesinnung auf christliche Traditionen war kein auf Dorsten beschränktes Phänomen, sondern überall in Deutschland zu spüren. Nach dem vollstän­digen Zusammenbruch suchten die Mensehen nach verlässlichen, unzerstörbaren Grundsätzen, die eine Erklärung und Bewäl­tigung des gegenwärtigen Unglücks ermög­lichten.

Das Ahlener Programm der CDU, Ausgabe 1947

Parteien spielten erstmals eine öffentliche Rolle

Am 16. April 1946 erhielten die Parteien erst­mals Gelegenheit, eine öffentliche Rolle zu spielen. Die Militärregierung gestattete die Umformung der örtlichen Verwaltungsbei­räte. Hatte man bisher die Zusammenset­zung nach der Berufszugehörigkeit der Kan­didaten, entsprechend den Berufen, die in den einzelnen Bezirken überwiegend vor­handen waren, bestimmt, so wurde der neue Beirat nach Parteizugehörigkeit besetzt in Übereinstimmung mit der letzten freien Wahl im Jahr 1929. Anstelle des ehemaligen Zentrums und der evangelischen Vereini­gung zogen zwölf Vertreter der CDU in den veränderten Beirat; für Dorsten: Weber, Kempa, Plaar, Krüskemper, Mettgen; für Hervest-Dorsten: Sulk, Havermann, Neu­mann, Feller; für Holsterhausen: Kleine-Bösing, Hohenhinnebusch, Schonrath. Dieser Beirat hatte die Aufgabe, die britische Besat­zung bei der Verwaltung von Stadt und Amt Hervest-Dorsten zu unterstützen sowie die ersten freien Kommunalwahlen nach dem Krieg vorzubereiten.

Die neue Partei hatte von Anfang an großen Rückhalt in der Bevölkerung, wie ihr Abschneiden bei der ersten Kommunalwahl am 15. September 1946 beweist. Überall wurde die CDU mit überwältigender Mehrheit ge­wählt; allein in Dorsten konnte sie 17 von 21 Mandaten erringen, im Amt Hervest-Dor­sten 21 von 24 Mandaten. Paul Kempa war der erste Bürgermeister, der aus freien Wah­len hervorgegangen war. Der CDU-Vorsitzende Wilhelm Norres führte die neu ge­wählte Fraktion.

Fürsorge, Ernährung, Wohnungsbeschaffung

Die konstituierende Sitzung aller Neuge­wählten des Amtes Hervest-Dorsten und der Stadt sowie der Landgemeinden wurde am 24. September im „Haus Rose“ in Hervest abgehalten. Ein Vertreter der britischen Mi­litärregierung nahm den Eid der neuen Ratsmitglieder und aller Bürgermeister ab. Als erste Amtshandlung bildete das Ortsparlament neun Ausschüsse zur Lösung der wichtigsten kommunalen Aufgaben: Fürsorge, Ernährung, Wohnungsbeschaffung, Preiskontrolle, Enttrümmerung und Wiederaufbau. Neben regulären Mandatsträgern wurden in diese Ausschüsse viele Sachver­ständige berufen, deren Detailkenntnisse dringend benötigt wurden.

Programm der CDU in Dorsten 1981

Beseitigung der Kriegsfolgen

In der Anfangszeit schlugen sich alle Par­teien mit dem gleichen Problem herum: der Beseitigung der schlimmsten Kriegsfolgen, vor allem der Behebung des akuten Mangels bei der Versorgung der Bevölkerung. Ge­rade in dieser Frage ergaben sich Differen­zen zwischen den gewählten Volksvertre­tern, vor allem aus der CDU-Fraktion, und der von der Besatzung eingesetzten Gemein­deverwaltung, die noch immer selbstherrlich Maßnahmen beschloss und damit an den Par­teien vorbei handelte. Man verlangte gemäß der neuen Gemeindeordnung die Oberaufsicht des Rates über die Gemeindeverwaltung und die Durchführung der Verwaltungs­maßnahmen in Übereinstimmung mit den Ratsbeschlüssen. Die im Laufe der Zeit er­zielte Harmonisierung war ausschlaggebend für die gut organisierte, schnelle Enttrüm­merung der Stadt und den Wiederaufbau.

CDU-Wahlplakat 1946

Rasche Gründung von Ortsverbänden

Die stetige Entwicklung der christdemokra­tischen Partei, spiegelt sich auch in der ra­schen Gründung von Ortsverbänden in und um Dorsten wider. Bereits bei den ersten Kommunalwahlen kamen die CDU-Vertre­ter aus allen Stadtteilen. In Altschermbeck, Erle und Lembeck bestanden zu diesem Zeitpunkt schon Ortsverbände. Im Oktober 1947 gründeten Unionsanhänger eine eigene Ortsgruppe für das Dorf Hervest. Nach den Wahlen zum ersten deutschen Bundestag und nach den Landtagswahlen im Juni 1950 entschieden sich die Ortsverbände aller Stadtteile für den Zusammenschluss zu einer Gesamtunion für die gesamte Stadt. Von diesem Schritt versprach man sich mehr Möglichkeiten, die spezifischen Interessen der einzelnen Stadtteile zu wahren. Außer­dem gewann die CDU auf diese Weise an Ge­wicht in der Parteienlandschaft der Stadt. Bald darauf wurde die Gründung der Dor­stener Jungen Union ins Auge gefasst und im September 1951 vollzogen. Damit sollte der christlich orientierten Jugend ein politisches Forum im Rahmen einer Partei geboten wer­den. Gerade an diesen Aufbruch erinnern sich Mitglieder der frühen Jahre wie etwa Alfons Schulze-Oechtering und der mittlerweile verstorbene Hermann Rüping, die damals über die Junge Union erstmals mit der Politik in Berührung kamen. Hier war die Gelegenheit zur Diskussion eigener Ideen ohne sofortige Korrektur durch die wohlmeinende ältere Generation.

 

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2 Kommentare zu CDU: Die christliche Verantwortung motivierte zu politischem Engagement – Die Partei fand Rückhalt in der Bevölkerung von Stadt und Land

  1. L. Ketteler sagt:

    Im Übrigen, die damalige Situation war für alle grausam. Und aus dieser grausamen Situation wollten alle nur eins; „Ganz schnell heraus“. Für die Rechtschreibfehler bitte ich um Entschuldigung. Aber Ihr Artikel über die CDU ist mir einfach zu viel Lobhuddelei und sich „Selbst auf die Schulter klopfen“, eben CDU.
    Schöne Grüße
    Ludger Ketteler
    Anm. der Redaktion: Der Leser möge sich über diesen Kommentar selbst ein Bild machen!

  2. L. Ketteler sagt:

    Die gelebten christlichen Werte sind in der Vergangenheit bis heute Wege, die mit dem Blut und dem Leid der Unterdrückten und Überheblichkeit, sowie der Skrupellosigkeit der „sog. Führungselite“ gepflastert. Und das in der ganzen Welt. Es besteht meiner Meinung nach also überhaupt keinen Grund dafür, hierauf stolz zu sein. Die sog. christliche Abendlandkultur besteht aus der Sklaverei und deren Proviteuren… bis heute. Und wer das bezweifelt, empfehle ich einmal sich ausgiebig mit deren Geschichte auseinanderzusetzen. Erst durch den heutigen Kapitalismus (den die Kirchenfürsten schon immer auf Kosten der von ihnen versklavten Menschen gelebt haben) glauben Viele, es gebe ihn nicht mehr. Schauen wir näher hin, dann sehen wir, dass aktuell der Anteil derjenigen immer größer, die in prekären Arbeitsverhältnissen leben müssen (versklavt werden). Und an diesen Prozessen ist die CDU nach meine Meinung immer noch mit einem ganz erhelblichen Teil gestalterisch beteiligt. Um es kurz zu sagen; „Der Christ hält sich für etwas besseres, setzt sich an den fett gedeckten Tisch, schlägt sich den Bauch überrandvoll. Und nur, wenn dann noch Krümel überbleiben sollten, denkt er an seinen Nächsten.“
    Ich bin in christlichen Verhältnissen aufgewachsen, ich weiss wovon ich rede. Und ich habe die Ursachen unserer früheren und heutigen Missstände tiefgründig geprüft. Nichts kann mich mehr umstimmen.

    Schöne Grüße
    L. Ketteler

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