Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit gab es in der Lippestadt Dorsten schon immer – aber auch ein vielfältiges Engagement dagegen. Eine Dokumentation

Erkennungszeichen der Neonazis; Symbolbild

Von Wolf Stegemann

Ein Trio von drei gewaltsamen Verbrechern aus der rechten Szene der Bundesrepublik hat die Politik 2012 auf Trab gebracht. Zehn Jahre lang konnten zwei Männer und eine Frau unerkannt Morde an Ausländern begehen. Die polizeilichen Ermittlungsbehörden  und der hoch bezahlte Verfassungsschutz, der viel Steuergelder für seine so genannten Vertrauensmänner in der rechten Szene ausgibt, die dann in einem gewissen Rahmen ungestraft auch Straftaten begehen können, konnte nicht erkennen, dass die als diskriminierend und verharmlosend betitelten „Döner-Morde“ (zum Unwort des Jahres 2011 erklärt) aus dem rechten Spektrum kamen. Dann wurde dies offenbar – zufällig. Peinlichkeiten ohne Ende für Verfassungsschutz und Politik.  Jede Gesellschaft, jedes Land, hat einen rechten Bodensatz. Auch Deutschland – vor und nach Auschwitz. Auch in Dorsten. In zeitlich abgestuften Wellenbewegungen und Intensität. Weiterlesen

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Endlosschleife NPD-Verbot: Kann die Partei überhaupt verboten werden? Über Parteienfreiheit und „streitbare Demokratie“

Parteienverbot? Foto: ARD-Bildgalerie

Von Dr. jur. Horst Meier

Dass das erste Verbotsverfahren im Jahr 2003 mit einem „V-Leute-Debakel“ endete, ist bekannt. Nun also der nächste Anlauf. Mit dem Vorpreschen des Bundesrats wurde eine Verbotsdynamik beschleunigt, die wohl nicht mehr zu stoppen ist. Warum eigentlich? Historiker mögen dieses Rätsel der deutschen Innenpolitik eines Tages lösen. Die heutige NPD zählt knapp 6.000 Mitglieder, ist in zwei ostdeutschen Landtagen vertreten, bewegt sich bundesweit eher im Promille- denn Prozentbereich und taumelt hart am Rande des finanziellen Bankrotts. Welch eine Ironie der Geschichte, dass ihr lange währender Niedergang von einem unaufhaltsamen Aufstieg der Verbotsbegehren begleitet wird. Hier wächst nicht die rechte Gefahr, wohl eher die Sensibilität einer Zivilgesellschaft, die schlecht erzogene Mitbürger einfach nicht aushalten mag: mit solchen Leuten spricht man nicht, nicht einmal im Parlament!

Wie gefährlich ist die NPD wirklich?

Der Verbotsantrag des Bundesrats wird für den Frühsommer erwartet. Während völlig ungewiss ist, wie die Sache ausgeht, ist eines klar: Die Probleme beginnen mit der Eröffnung des Verfahrens erst richtig. Wenn die Innenminister glauben, es genüge, einige Spitzel in den Führungsgremien der Partei „abzuschalten“, sind sie auf dem Holzweg. Zunächst sei an einige grundlegende Tatsachen erinnert: Die heutige NPD ist weit davon entfernt, die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ der Bundesrepublik Deutschland „beeinträchtigen“ oder gar „beseitigen“ zu können. Ihre Gefährlichkeit wird zwar kolportiert, entbehrt aber der tatsächlichen Grundlage. Die Terrorzelle „NSU“ handelte nicht als der illegale, bewaffnete Arm der NPD. Und die Unterstützung mutmaßlicher Helfershelfer mit Parteibuch kann der NPD, nach allem, was wir heute wissen, nicht zugerechnet werden. Die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes bestätigen diesen Befund.

Eingriff in die Parteienfreiheit

Wer vom Parteiverbot spricht, darf über die Parteienfreiheit nicht schweigen. Diese Freiheit, nicht etwa ihre Rücknahme durch ein Verbot, ist die Errungenschaft des Grundgesetzes gegenüber der Tradition des deutschen Obrigkeitsstaats. Somit stellt jeder Eingriff in die Parteienfreiheit eine Verzerrung des politischen Wettbewerbs dar. Man sollte nicht vergessen, dass die Mehrheitsparteien über die Antragsberechtigung verfügen und leicht der Versuchung erliegen, eine lästige Konkurrenz ausschalten zu lassen. Daher aktualisiert jedes Parteiverbot die Frage nach dem legalen Spielraum von Opposition. Dieser steht auch angesichts „unerträglicher“ Parteien nicht einfach zur Disposition. Das Argument des Steuerzahlers sollten jene, die aus der üppigen staatlichen Finanzierung ganz andere Summen einstreichen, besser nicht strapazieren. Kurz und gut: ein Verbot muss einen triftigen Grund haben, das heißt zur Verteidigung von Demokratie und Pluralismus zwingend notwendig sein.

Verbotsurteile der fünfziger Jahre waren eher Prävention

Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes bietet die Möglichkeit, Parteien bereits wegen ihrer verfassungswidrigen „Ziele“ zu verbieten. Die Verbotsurteile der fünfziger Jahre – das gegen die von alten Nazis gegründete „Sozialistische Reichspartei“ und vor allem das gegen die Kommunistische Partei – diese Urteile waren einseitig auf den verfassungswidrigen Inhalt von Politik bezogen. Auf messbare Gefahren sollte es in keiner Weise ankommen. Eine moderne, restriktive Interpretation muss dagegen die zweite Verbotsalternative einbeziehen: das illegale, gewalttätige „Verhalten“ der Partei-„Anhänger“, das heißt die Form von Politik.

Die im Blick auf die angeblich „wehrlose“ Weimarer Republik formulierte Lehre von der „streitbaren Demokratie“ unterscheidet nicht zwischen anstößiger Agitation und wirklichen Gefahren. Sie stellt – heute nur noch historisch verständlich – ganz auf Prävention ab, verführt zur voreiligen Einschränkung verfassungsmäßiger Rechte und ist damit im Kern illiberal. Dreh- und Angelpunkt einer rationalen Verbotsdebatte muss das Gewaltkriterium sein. Es koppelt den Eingriff in die Parteienfreiheit an konkrete Gefahren und markiert zugleich eine politisch neutrale Grenze des Wettbewerbs um Mandate und Macht.

Verbot einer bundesweit bedeutungslosen Miniaturpartei ist überflüssig

Ob Demokratie ihren erklärten Feinden gegenüber tolerant bleiben könne, fragte der in die USA exilierte Rechtstheoretiker Hans Kelsen, wenn sie sich gegen antidemokratische Umtriebe verteidigen muss? Seine Antwort: „Sie kann es! In dem Maße, als sie friedliche Äußerungen anti-demokratischer Anschauungen nicht unterdrückt. (…) Demokratie kann sich nicht dadurch verteidigen, dass sie sich selbst aufgibt. (…) Es mag mitunter schwierig sein, eine klare Grenzlinie zu ziehen zwischen der Verbreitung gewisser Ideen und der Vorberei­tung eines revolutionären Umsturzes. Aber von der Möglichkeit, eine solche Grenzlinie zu finden“, so Kelsen weiter, „hängt die Möglichkeit ab, Demokratie aufrechtzuerhalten. Es mag auch sein, dass solche Grenzziehung eine gewisse Gefahr in sich schließt. Aber es ist das Wesen und die Ehre der Demokratie, diese Gefahr auf sich zu nehmen…“.

Anders gesagt: Im Normalbetrieb gibt es gegen antidemokratische Parteien nur eine systemgerechte Waffe: den freien politischen Wettbewerb und den Stimmzettel. Eine bundesweit bedeutungslose Miniaturpartei in die Illegalität zu schicken, ist politisch nicht notwendig und juristisch hochriskant. Wie riskant, macht die haarsträubende Qualität des Belastungsmaterials deutlich. Die Innenminister hatten, statt ergebnisoffen zu beraten, in erklärter Verbotsabsicht mehr als tausend Seiten von ihren Verfassungsschützern zusammentragen lassen – laut Innenminister Friedrich die „beste Sammlung, die es je gab“. Doch die mit Zitaten gespickte amtliche Kurzfassung – eine „Verschlusssache“, die kürzlich öffentlich bekannt wurde –, umfasst, so wörtlich, „Äußerungen von mehr als 400 Funktionsträgern“ – bietet also weiter nichts als eine Sammlung läppischer bis bösartiger Sprüche. Ob es aber für ein Verbotsurteil reichen wird, einen Sack voll anstößiger Zitate vor den Toren des Verfassungsgerichts auszuschütten, ist mehr als fraglich. Angesichts der Qualität dieses Materials wirkt das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit wie eine unüberwindliche Hürde. Wer hofft, damit eine qualifizierte Mehrheit von Richtern beeindrucken zu können, muss sich auf eine herbe Enttäuschung gefasst machen. Es wäre nicht das erste Mal, dass schlecht durchdachte Politik, die einen „symbolischen“ Mehrwert einstreichen will, in einer juristischen Sackgasse endet.

Abwegiges Verbotsverfahren

Weder Bundesregierung noch Bundestag sollten sich von den Ländern politisch-moralisch erpressen lassen. Wer es gut meint mit diesem demokratischen Staat, wird ihn nicht sehenden Auges in ein abwegiges Verbotsverfahren treiben. Sollten sich die Verbotsbetreiber nicht eines Besseren besinnen, gibt es andere Mittel und Wege gegen Verbotsanträge, die missbräuchlich sind, weil sie „im Dienste eifernder Verfolgung unbequemer Oppositionsparteien“ stehen – so das Gericht im KPD-Verbotsurteil – oder sich in politischer Symbolik erschöpfen. Gegen solche Anträge kennt das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht ein probates Mittel: die kursorische Prüfung der Begründetheit im Vorverfahren. Es heißt dort nämlich, das Gericht gebe der Partei die Möglichkeit, Stellung zu nehmen und beschließt dann, „ob der Antrag als unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen oder ob die Verhandlung durchzuführen ist.“ Anders gesagt: nicht über schlechthin jeden Verbotsantrag muss das Gericht verhandeln. Und weil zudem für „jede“ Entscheidung zum Nachteil der betreffenden Partei eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, müsste ein Antrag der NPD, den Prozess gar nicht erst durchzuführen, von mindestens sechs der acht Senatsmitglieder zurückgewiesen werden.

Partei müsse eine Gefahr für die Demokratie darstellen

Verfassungsrichterinnen und -richter, die sich nicht für politische Signale einspannen lassen und einen aufwendigen Prozess über das sinnlose Verbot einer Miniaturpartei vermeiden wollen, könnten so argumentieren: Der Antrag ist „nicht hinreichend begründet“. Denn selbst wenn man die V-Leute-Problematik beiseite lässt und unterstellt, die behaupteten verfassungswidrigen Ziele der NPD könnten in vollem Umfang bewiesen werden, hat der Verbotsantrag keine Aussicht auf Erfolg: Ein Parteiverbot kommt nur dann in Betracht, wenn die betreffende Partei eine halbwegs konkrete Gefahr für die Demokratie darstellt. Eine solche kann aber nicht allein aus anstößigen, „aggressiv kämpferisch“ vorgetragenen Zielen abgeleitet werden. Unbeachtlich sind jedenfalls Ziele, die hier und heute nicht einmal in Ansätzen verwirklicht werden können – was bei Parteien, die bundesweit unter fünf Prozent liegen, unwiderleglich feststeht. Eine solche Partei ist – ungeachtet vollmundiger Parolen – konstitutionell unfähig, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen.

Es ist immerhin denkbar, dass sich eine Sperrminorität von drei Richtern findet, die Augenmaß und Courage genug hat, um die prozessuale Notbremse zu ziehen. Auch der Einstellungsbeschluss des Jahres 2003 trägt „nur“ drei Unterschriften. „Die deutsche Frage ist die Frage nach den Hemmnissen der liberalen Demokratie in Deutschland“, schrieb Ralf Dahrendorf 1965. Zu diesen Hemmnissen zählt das Parteiverbot des Grundgesetzes – vor allem aber der Umgang damit –, was in diesen Tagen einmal mehr deutlich wird.

    Gesendet am 10. März 2013 vom NDR Kulturelles Wort in NDR-kultur „Gedanken zur Zeit“

 

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„Der Landser“ – Krieg im Groschenheft ist jetzt beendet. Die Verbrechen der Wehrmacht und SS wurden ausgeklammert und Kriegsverbrecher zu Helden hochstilisiert. Herausgabe 2013 eingestellt

W. St. –  In Bahnhofsbuchhandlungen findet man sie: Literatur für Kriegsbegeisterte, Bildbände über deutsche Panzer oder Kriegsflugzeuge, über Maschinengewehre und die Hauptquartiere des Führers von 1939 bis 1945 sowie triviale Groschenromane wie „Der Landser“, der seit 1957 Woche für Woche als „Erlebnisbericht zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs“ erscheint. Nach der Werbung des Verlags Pabel-Moewig, der zur Bauer Media Group gehört, sind die Kriegskitsch-Hefte „Dokumentationen über hochausgezeichnete Soldaten und bedeutende militärische Ereignisse des Zweiten Weltkrieges“. Heute darf man über die Hefte in der Vergangenheitsform schreiben. Der Verlag hst das Erscheinen der Kriegshefte Mitte September 2013 eingestellt. Nach 57 Jahren.

Simon Wiesenthal-Center in New York forderte Einstellung

Diese längst fällige Entscheidung ist dem Verlag nicht leicht gefallen. Ihr  vorausgegangen war ein offener Brief des Simon-Wiesenthal-Centers in New York, in welchem dem Verlag schwere Vorwürfe gemacht und ein Verbot der Publikation gefordert wurde – wegen Verherrlichung des Nationalsozialismus und Verharmlosung des Holocaust. „Der Landser“ verharmlose etwa die Waffen-SS, hieß es im Wiesenthal-Center, das den deutschen Historiker und Journalisten Stefan Klemp mit einer Untersuchung der Heftreihe beauftragt hatte. In einer der vergangenen Ausgaben sei die Waffen-SS als ein Grüppchen gutmütiger Soldaten dargestellt worden, die nur ihren Job tun und von den griechischen Dorfbewohnern nach ihrem Einmarsch dankbar empfangen und zum Wein eingeladen worden waren. „Wir haben sie erobert, und trotzdem sind sie noch ein freundliches Volk“, wird in einem der Hefte ein Mitglied der Leibgarde Hitlers zitiert. Die Legende, dass beispielsweise die Waffen-SS im Gegensatz zur so genannten Totenkopf-SS aus ritterlichen Soldaten bestanden hatte, ist heute noch weit verbreitet. Sagte unlängst in ein weltkriegsbegeisterter Dorstener in einer Geschichtsgruppe, dass es eine gute und eine schlechte SS gegeben habe. Das ist natürlich falsch und in der seriösen Literatur auch nachzulesen.

Zuerst wollte die Bauer Media Group von der geforderten Einstellung der Heftreihe nichts wissen. Noch im August verkündete der Verlag, der den Strafrechtler Otmar Kury mit einem Rechtsgutachten beauftragt hatte, dass alle Publikationen der Bauer Media Group im Einklang mit den in Deutschland geltenden Gesetzen stünden:

„Alle Publikationen der Bauer Media Group stehen im Einklang mit den in Deutschland geltenden Gesetzen. Das gilt auch für „Der Landser“. […] Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat die Publikation wiederholt überprüft. Es gab keine Beanstandungen. Zusätzlich lässt der Verlag freiwillig jede Ausgabe presserechtlich überprüfen. Der Verlag legt größten Wert darauf, dass darin weder der Nationalsozialismus verherrlicht wird, noch Naziverbrechen verharmlost werden“ (Claudia Bachhausen, Leiterin Unternehmenskommunikation bei der Bauer Media Group).

In der gleichen Pressemitteilung gibt der Verlag allerdings auch das Ende der Publikation bekannt. Man habe die Vorwürfe zum Anlass genommen, den „Landser“ „hinsichtlich der Portfoliostrategie des Unternehmens zu bewerten“. Das heißt, dass die Weltkriegsheftchen dem Verlag einen nachhaltigren Imageschaden zufügen – außer bei der rechtsradikalen Leserschaft. Zudem dürfte die Auflage von einer halben Million Exemplaren in den 1950er-Jahren auf schätzungsweise zwischen 20.000 und 60.000 pro Heft geschrumpft sein (SPIEGEL, 1990). Zuletzt sollen es nur noch ein paar tausend Exemplare gewesen sein.

Die Legende von einer „sauberen“ Wehrmacht

Stefan Klemp wies in seinem Bericht allerdings nach, dass es sich um weit mehr als harmlose Abenteuergeschichten von der Front handelt. Durch gezielte Dekontextualisierung werde versucht, „die Legende einer sauberen Wehrmacht“ und einer ebenso sauberen Waffen-SS gleichermaßen „hochzuhalten – als das letzte Residuum alter Ritterlichkeit“, als moralisches Naturschutzgebiet.

Heftige Kritik am „Landser“ schon seit Jahrzehnten

Kritik am „Landser ist schon älter. Der Süddeutsche Rundfunk bezeichnete die Produkte des Pabel-Verlags Ende der 1950er-Jahre als „harten Nationalkitsch“. In einer Sendung des NDR erklärte Hans Jürgen Usko:

„Stil, Form, Aussage und Inhalt der bundesdeutschen Kriegs-Groschenliteratur decken sich auf unheimliche Weise mit dem Stil, der Form, mit der Aussage und mit dem Inhalt der Berichte der so genannten Propagandakompanien des Großdeutschen Reiches während des Zweiten Weltkrieges – in 50 von 100 Fällen haben sich nicht einmal die Autoren geändert.“

Eine veränderte öffentliche Wahrnehmung über den Krieg

Die veränderte öffentliche Wahrnehmung des Nationalsozialismus blieb nicht ohne Folgen für das Geschäft mit den Kriegsromanen. Nachdem bereits 1959 die ersten Indizierungsanträge erfolgt waren, gerieten die Kriegsroman-Serien nun auch ins Fadenkreuz der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die seit ihrer Gründung 1954 zwar insgesamt 692 „Kriminal- und Abenteuerromane“, „Liebes- und Sittenromane“, „Sexualaufklärungsschriften“, etc. indiziert hatte, bis dato jedoch kein einziges Kriegsheft. Diese, insbesondere die „Landser“-Serie des Pabel-Verlags, der zu dieser Zeit bereits eine marktbeherrschende Stellung innehatte, wurden zunehmend Gegenstand öffentlicher Kritik. 1974 schrieb der Sozialwissenschaftler Klaus F. Geiger:

„Der Krieg erscheint als Summe der Handlungen kleiner Gruppen an der Front. Grund, Zweck und Sinn des Zweiten Weltkriegs  bleiben ungenannt; das Leiden wird verschwiegen und abgeschwächt.“

Ein Versuch des Pabel-Verlags, gegen die Verantwortlichen einer am 29. Juli 1960 vom Süddeutschen Rundfunk ausgestrahlten Sendung „Der Krieg im Groschenheft“ gerichtlich vorzugehen, scheiterte. Die Debatte der Jahre 1959/60 hatte die Indizierung von neun Kriegsbüchern und sechs Kriegsromanheften (darunter drei Landser-Hefte und  zwei Landser-Großbände) zur Folge. Einige Anträge wurden abgelehnt, darunter einer, Heft 77 des „Landser“ betreffend:

„Hier handelt es sich zwar um billigsten, verlogenen Kitsch in Schmierenmanier und mit sentimental-albernen Zwischenszenen, aber eben nur um Unsinn, ohne dass besondere jugendgefährdende Umstände hervortreten.“ (Bundesprüfstelle: Entscheidung Nr. 717).

Der Historiker und Journalist Stefan Klump zeigt in seinem aktuellen Gutachten für das Simon-Wiesenthal-Center auf, dass in den Heften nicht nur die politische Dimension unterschlagen wird, sondern auch historische Persönlichkeiten heroisiert werden. Von den 29 historischen „Helden“ waren 24 nachweislich an Kriegsverbrechen beteiligt. Die Vernichtungspolitik des NS-Regimes wurde in den Heften ausgeklammert.

Noch im Sommer 2013 erschien „Der Landser“ erstmals auch als E-Book in englischer Sprache. – Nur gut, dass man diesen Artikel über die Heft-Reihe in der Vergangenheitsform schreiben konnte und lesen kann!

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Quellen/Literatur: „Aus allen Rohren“ in Der Spiegel Nr. 43, 1959 (online). – „Kampferprobte Verbände“ in: Der Spiegel Nr. 32, 1998 (online). – Peter Praschl „Und ewig rückt der Iwan heran“ in Welt am Sonntag vom 4. August 1913. – Wikipedia, Online-Enzyklopädie (2013). –Klaus F. Geiger „Kriegsromanhefte in der BRD. Inhalte und Funktionen“, Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Bd. 35. Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 1974. – Ders. „ Jugendliche lesen Landser-Hefte. Hinweise auf Lektürefunktionen und -wirkungen“ in: Gunter Grimm (Hrsg.): Literatur und Leser. Reclam, Stuttgart 1975. – Ernst Antoni „Landser-Hefte. Wegbereiter für den Rechtsradikalismus“, PDI, München 1979.-Peter Conrady „Wir lagen vor Stalingrad oder Nichts gelernt aus der Geschichte? Die Landser-Hefte der 50er und 60er Jahre“ in Peter Conrady (Hrsg.): Faschismus in Texten und Medien: Gestern, Heute, Morgen? Athena, Oberhausen 2004. – Walter Nutz „Der Krieg als Abenteuer und Idylle. Landser-Hefte und triviale Kriegsromane“, in: Norbert Honsza (Hrsg.): Untersuchungen zur populären Literatur im 20. Jahrhundert (Acta Universitatis Wratislaviensis), Band 853 (Germanica Wratislaviensia, Band 62), 1987.
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Otto Ernst Remer – nationalsozialistischer General im Krieg, Rechtsextremist danach und Auslöser eines Eklats im Amtsgericht Dorsten 1992

Generalmajor Otto Ernst Remer; Foto: Bundesarchiv

Gleich zweimal hatte der nationalsozialistisch orientierte Wehrmachtoffizier Otto Ernst Remer Berührung mit Dorsten gehabt. Das erste Mal persönlich. Da war er 1940 als junger Oberleutnant der Wehrmacht in Rhade stationiert. Das zweite Mal war eines seiner Machwerke, die rechtsextreme „Remer-Depesche“ im Januar 1992 Anlass für einen Eklat im Amtsgericht Dorsten. Die Depesche lag dort zur Mitnahme aus, was den Behördenleiter in Bedrängnis brachte.

Remer erlangte durch seine wesentliche Mitwirkung an der Niederschlagung der Revolte gegen Hitler am 20. Juli 1944 eine berüchtigte Berühmtheit. An diesem Putsch gegen Hitler war auch Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg beteiligt, ein Bruder der 2001 in Dorsten verstorbenen Ursuline und Künstlerin Tisa von der Schulenburg. Graf Schulenburg wurde vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 10. August 1944 hingerichtet (siehe Artikel: Hitler-Attentäter Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg trat in Recklinghausen in die NSDAP ein, daraufhin er Landrat zu ihm sagte: „Sie sind verrückt geworden!“).

Major Otto Ernst Remer war seit Anfang 1944 Kommandeur des Wachbataillons „Großdeutschland“, das dem Berliner Stadtkommandanten Generalleutnant Paul von Hasen, einem der Beteiligten am Umsturzversuch, unterstand. Remer ließ nach dem Putschversuch und nach einem mit Hitler persönlich geführten Telefongespräche den Stadtkommandanten verhaften, was letztlich zur Niederschlagung des Putsches führte. Denn das Wachbataillon sollte nach dem Operationsplan „Walküre“ der Attentäter die Regierung (Goebbels, Göring, SS u. a.) verhaften. Stattdessen verhaftete Remer die Putschisten.

Titel seines Buches mit seiner rechtsextremistischen Sichtweise auf das Attentat vom 20. Juli

Danach übernahm der NS-Offizier im November 1944 die nach dem 20. Juli 1944 neu aufgestellte Führerbegleitbrigade (später zur Division erweitert), die er in die Ardennenoffensive führte. Im Januar 1945 erhielt er im Alter von 32 Jahren wegen seines Vorgehens gegen die Widerstandsgruppe des 20. Juli seine Beförderung vom Major zum Generalmajor. Remer war damit einer der jüngsten Wehrmachtgenerale. Anfang März 1945 war die Führerbegleitdivision an der Rückeroberung Laubans beteiligt, einem der letzten Gegenstöße, die das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg zu führen im Stande war. Als im Frühjahr 1945 die von ihm befehligte Division in Spremberg östlich der Elbe eingeschlossen wurde, gab Remer am 22. April 1945 den Befehl, nach Süden in Richtung Dresen auszubrechen. Dabei wurde seine Division von den Russen völlig niedergemacht. Er selbst dagegen brachte sich in Sicherheit, indem er in Zivilkleidung desertierte und die westlich gelegene Elbe überquerte, wo bereits – wie ihm bekannt war – amerikanische Truppen standen.

Nachkriegszeit und Remer-Prozess

Nach seiner Gefangennahme wurde Remer von den Amerikanern an die Briten übergeben, die ihn bis 1947 internierten. Anschließend nahm er seinen Wohnsitz in Varel und erlernte das Maurerhandwerk. Remer trat in der Folgezeit als rechtsextremer Publizist hervor und schloss sich verschiedenen rechtsorientierten Parteien an, dazu gehörte auch die Sozialistische Reichspartei. Weil er die Beteiligten des Attentats auf Hitler bei einer Parteiveranstaltung im Mai 1951 als „Landesverräter“ bezeichnet hatte, wurde er 1952 wegen übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vom Landgericht Braunschweig zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Remer entzog sich der Strafe und flüchtete nach Ägypten, wo er mehrere Jahre lang als Militärberater des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser sowie in Syrien tätig war.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland trat er verstärkt als rechtsextremistischer Redner auf, gründete neofaschistische Vereine und Freundeskreise (FK Ulrich von Hutten, Deutsche Freiheitsbewegung). 1991 brachte er die „Remer-Depesche“ heraus, deren erste Nummer am Mittwoch, den 8. Januar 1992, im Dorstener Amtsgericht ausliegen sollte und sich der Behördenleiter deshalb seiner Verantwortung stellen musste.

Titelseite der 1992 im Dorstener Amtsgericht ausgelegten Depesche; Foto: Wolf Stegemann

Remer-Depesche lag zur Lektüre im Dorstener Amtsgericht aus

Die „Remer-Depesche“ war ein geschichtsrevisionistisches Blatt. Das Landgericht Schweinfurt verurteilte den Herausgeber Remer aufgrund von Beiträgen in dieser Depesche wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten. Er entzog sich dieser Strafe 1994 wiederum durch Flucht nach Spanien und stellte das Erscheinen dieser Publikation ein. Da die spanischen Gesetze damals keine entsprechenden Strafbestimmungen wegen Holocaustleugnung kannten, wurde ein von den deutschen Behörden gestellter Auslieferungsantrag 1996 abschlägig beschieden.

Zurück zu dem Eklat im Dorstener Amtsgericht. In der Dorstener Redaktion der Ruhr-Nachrichten ging am Nachmittag des 8. Januar 1992 ein anonymer Anruf ein, der darüber informierte, dass im Dorstener Amtsgericht ein Packen der rechtsradikalen Remer-Depesche zur Mitnahme ausliegen würde. An diesem Tag war eine Schulklasse im Amtsgericht, um einer Gerichtsverhandlung zuzuhören. Die Schüler hatten bei dieser Gelegenheit fast alle ausliegenden rechtextremistischen Blätter bereits mitgenommen. Als der RN-Mitarbeiter Wolf Stegemann und Holger Steffe eintrafen, lag nur noch eine Handvoll Remer-Depeschen auf dem Tisch der Sitzecke gleich neben der Empfangsloge.

RN-Artikel vom 10. Januar 1992

Nachdem man dem uniformierten Justizwachtmeister das Blatt gezeigt und ihn gefragt hatte, wie dieses Hetzblatt hier herkomme und wer zum Auslegen die Genehmigung erteilt habe, sagte der Justizwachtmeister wörtlich: „Die Verwaltung hat die Genehmigung erteilt!“ Dazu Wolf Stegemann in seinem Schreiben an den Behördenleiter: „Dies bezeugte m. E. den Tatbestand der öffentlichen Verbreitung volksverhetzender Schriften im Amtsgericht, wofür der Behördenleiter die Verantwortung zu tragen hat.“ Im gleichen Schreiben teilte Stegemann dem AG-Direktor den Sachverhalt mit. Bei Aufgabe der Strafanzeige durch eine Rechtspflegerin, die höchst verwirrt war und sich zuerst weigern wollte, die Anzeige aufzunehmen, als sie den Namen ihres Chefs hörte, öffnete sich die Tür des Geschäftszimmers und eine Richterin trat herein. Auszug aus dem Schreiben: „Sie meinte, dass das Auslegen dieser Zeitschrift eigentlich ohne Belang sei, da sich sowieso niemand darum kümmere, was da ausliege und was da drin stehe. Sie versuchte uns zu überreden, von einer Anzeige keinen Gebrauch zu machen. Unter den Eindrücken, hier soll etwas unterm Teppich bleiben, musste ich mein Vorhaben, Anzeige zu erstatten, zu Ende führen, auch wenn uns übermittelt wurde, wir sollten doch vorher mit Ihnen sprechen…“ Ein telefonisch vereinbartes Gesprächstreffen zwischen Wolf Stegemann und Ulrich Roer sagte die Ehefrau des Letzteren wieder ab.

Ulrich Roer: „Bedauerlicher Zwischenfall“

Es blieb bei der Anzeige. Stephan Diebäcker berichtete am 10. Januar in den Ruhr-Nachrichten über den Vorfall (Auszug): „Ein Mitarbeiter der Wachtmeisterei beim Amtsgericht wollte noch verhindern, dass die RN ein Foto von den ausliegenden Zeitungen machte. Auf Anfrage bestätigte er, dass die Zeitungen mit Genehmigung der dortigen Verwaltung ausliegen. ,Einen bedauerlichen Zwischenfall’ nannte dagegen Amtsgerichtsdirektor Ulrich Roer die öffentliche Auslegung der Zeitung in ,seinem’ Gebäude.

Remer-Depesche im Foyer des Amtsgerichts; RN-Pressebild: Holger Steffe

Gegenüber den RN gab Roer seiner Vermutung Ausdruck, dass möglicherweise ein Mann die Zeitungen hinterlegt hat, der der am Morgen um Besuchserlaubnis für einen Häftling aus der rechtsextremen Szene gebeten hatte (…) Der Vorfall sei wohl nur möglich gewesen, weil momentan lediglich drei anstatt der sonst üblichen sechs Wachtmeister beim Amtsgericht im Dienst sind.“

Die Strafanzeige gegen ihn hatte er ordnungsgemäß weitergeleitet. Für Stegemann und dem Fotografen war damit Genüge getan. Denn sie hatten zu keiner Zeit unterstellt, der Amtsgerichtsdirektor hätte die Remer-Depesche wissentlich auslegen lassen. Stegemann hatte am 12. Januar an Ulrich Roer geschrieben: „Ich betone nochmals ausdrücklich, wie auch in der Anzeige vermerkt, dass ich gegen Sie als Behördenleiter Anzeige erstattet habe, nicht gegen Sie als Person. Es tut mir leid, dass in dieser Sache ein völlig integrer Mann betroffen ist.“ Dennoch wurde AG-Direktor Roer in einem Leserbrief vom 14. Januar 1992 mit dem Hinweis verteidigt, er sei seit 20 Jahren Mitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Essen und das „Auslegen anti-jüdischen Schrifttums für ihn undenkbar“.

Wolf Stegemann und der Fotograf Holger Steffe hatten bereits zwei Tage vor Erscheinen dieses Leserbriefes die Anzeige offiziell zurückgenommen, obgleich dies bei einem Offizialdelikt keine Bedeutung hat. Der Behördenleiter ist letztlich verantwortlich für das Geschehen in seinem Haus und kann bei Verletzung der Aufsichtspflicht zur Verantwortung gezogen werden. Als Begründung der Zurücknahme schrieben Wolf Stegemann und Holger Steffe: „Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Einlassung eines Bediensteten des Amtsgerichts, die volksverhetzenden Schriften seien mit Genehmigung der Verwaltung als Lesestoff ausgelegt worden, nicht den Tatsachen entspricht. (…)  Somit ist der von uns noch am Tag der Anzeigenerstattung als erfüllt gesehene Tatbestand der Vertreibung volksverhetzender Schriften im Verantwortungsbereich des Amtsgerichtsleiters nicht mehr gegeben.“

Damit war der juristische Teil dieser ärgerlichen Angelegenheit erledigt. Stadtdirektor Dr. Zahn, Verwaltungsjurist, kommentierte Stegemanns Verhalten als korrekt und der GS-Schulleiter sagte ihm bei späterer Gelegenheit, dass er nun streng darauf achten würde, welche Informationen in den Schulgängen ausliegen würden. Wolf Stegemann, der als Mitgründer des Jüdischen Museums Westfalen, das einige Monate später eröffnet wurde, als stellvertretender Vorsitzender dem Vorstand des Trägervereins angehörte, war auch der Kritik ausgesetzt, die er von mancher Seite nicht erwartet hätte. In einer Beiratssitzung des Trägervereins, dem Vertreter des öffentlichen Lebens, der Wissenschaft und Politik angehörten, wurde Stegemann, weil er den Eklat im Amtsgericht öffentlich machte, vor allem von Dorstener Lokalpolitikern in Stellungnahmen heftig kritisiert. Lediglich der inzwischen verstorbene Landrat Helmut Marmulla und der Direktor der NRW-Landesstiftung für Kultur in Düsseldorf, Schulz, und Dr. Ringenberg, verteidigten in Statements Stegemanns Reaktion als richtig und notwendig.

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Quellen: Kriegschronik Rhade (Krieg in Rhade … Online: Dorsten unterm Hakenkreuz.de. – Stefan Diebäcker „Anzeige gegen Direktor des Amtsgerichts“ in den RN (heute DZ) vom 10. Januar 1992. – Leserbrief Ursula Fröling in RN vom 14. Januar 1992. – Schreiben Wolf Stegemann vom 12. Januar 1992 an Ulrich Roer. – Schreiben Holger Steffe und Wolf Stegemann vom 12. Januar 1992 an das AG Dorsten (Zurücknahme der Anzeige). – Wikipedia, Online-Enzyklopädie.

 

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„Jude“ – ist diese Formulierung antisemitisch vorbelastet? Der New Yorker Autor Tuvia Tenenbom meint Ja. Andere sagen Nein. Heftiger Streit um sein Buch

Tuvia Teneboms Buch ist dann bei Suhrkamp erschienen

Von Wolf Stegemann

Als ich in den 1980er-Jahren im Zuge meiner Recherchen über den Nationalsozialismus und die jüdischen Familien in Dorsten und in der Region  („Dorsten unterm Hakenkreuz“) vermehrt mit Juden zusammen kam, mit Rabbinern und Gemeindevorsitzenden sprach und über sie schrieb, fühlte ich mich wegen meiner Erfahrungslosigkeit in Not, wenn es darum ging, Juden als solche zu bezeichnen. Ich kannte die antisemitische Sprache des Dritten Reiches, wenn von jüdischen Personen die Rede war: der Jude Perlstein, die Jüdin Freyda. Und auf dem Gelben Stern, den Juden als Ausgrenzungszeichen am 1939 tragen mussten, prangte das der hebräischen Schrift nachempfundene Wort „Jude“. Daher hatte ich anfangs große Hemmungen, meine jüdischen Gesprächspartner auch als Juden zu bezeichnen und sie in Zeitungs- oder Buchartikeln so zu nennen. Ich verwendete ausweichende Formulierungen wie „unser jüdischer Mitbürger“, „die jüdischen Menschen“, „der dem Judentum angehörende Karl Perlstein“, „der jüdische Viehhändler Abraham“ usw. An der Schreibmaschine konnte ich mir in Ruhe solche Formulierungsverrenkungen ausdenken, aber im Gespräch, wenn ein Jude vor einem sitzt? Es war schwierig, zumal ich selbst merkte, wie ich herumeierte. Weiterlesen

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